Die leuchtende Stadt
sie an. Zum ersten Mal schien er eines ihrer Argumente ernst zu nehmen. »Damit könntet Ihr Recht haben, Obliq. Falls Festländer auf dem Wasser gewesen wären und das Habitat gesehen hätten. Aber mal ehrlich – wie wahrscheinlich ist das?«
Sichtlich verärgert schaute Kailan ihn an. »Ahktah, wenn wir wissen, dass die Festländer an der neuen Bergungsstätte gearbeitet haben, ist es dann nicht möglich, dass man sie auch anderswo auf dem Meer antrifft? Ist es nicht möglich, dass sie Ortungsgeräte besitzen, mit denen sie von oben das Meer durchsuchen, ähnliche Geräte, wie wir sie im Meer einsetzen? Geräte, mit denen sie eine Explosion orten könnten?« Sie machte eine Sprechpause, um seine Reaktion einzuschätzen. »Nein? Ihr habt auch nicht geglaubt, dass meine Instrumente etwas taugen, Ahktah!«
Askelanda gab ein tiefes Brummen von sich und wandte sich von ihr ab.
Fasziniert lauschte Antares dem Wortgefecht. Eindeutig stand hier mehr auf dem Spiel als die Frage, ob Kailan mit der Zerstörung des losgerissenen Habitats richtig gehandelt hatte. Askelanda, der Ahktah (der männliche Anführer), lehnte sich nicht nur gegen die Handlungsweise der Obliq auf, sondern auch gegen die Macht, die sie mit dem Einsatz einer Technologie bewies, die er nicht verstand. Wie kann das möglich sein?, dachte Antares. Waren Askelanda und die männlichen Neri wirklich so beschäftigt damit, das Meer zu erkunden und zu kultivieren und nach bergungsfähiger Ausrüstung zu suchen, dass sie nicht verstanden, wie wertvoll das Wissen der Obliq war? Sie schienen mit einer eigentümlichen Blindheit geschlagen zu sein. Nicht dass Antares eine solche Blindheit nicht schon in der ein oder anderen Form auf ihrer Heimatwelt gesehen hatte.
Li-Jared ergriff kleinlaut das Wort: »Entschuldigt – es tut mir sehr Leid, Euch zu unterbrechen – aber nur, damit ich es richtig verstehe: Wissen die Festländer nicht schon längst, wo sie die Neri finden können?«
Die beiden Neri-Anführer starrten den Karellianer an. »Wenn sie das wüssten, wären sie längst hier«, erwiderte Askelanda. »Das ist vielleicht das Einzige, das uns bisher vor einem offenen Krieg bewahrt hat. Bislang haben wir immer nur nächtliche Geplänkel ausgetragen, bei denen wir einander kaum sehen konnten.«
Kailan zog ihr Schultertuch straff, dessen goldene Fäden glitzerten. »Ich bezweifle«, meinte sie, »dass die Festländer sich viele Gedanken um uns machen oder sich dafür interessieren, wo wir leben.«
»Sie interessieren sich genug für uns, um das Meer zu vergiften«, wandte Askelanda leise ein.
»Oder«, erwiderte Kailan, »sie interessieren sich nicht genug für uns und vergiften deswegen das Meer.«
Li-Jared war offenbar verwirrt. »Dann ist Euer Streit …«
»Kein offener Krieg, nein«, vollendete Kailan den Satz. »Meiner Meinung nach erachten sie uns für nicht wert, um sich den Kopf über uns zu zerbrechen. Trotzdem …«, sie wandte sich Askelanda zu, »… wenn wir weiterhin Bergungsstätten untersuchen, für die sich die Festländer interessieren und die meine Technikerinnen als für uns wertlos einstufen …«
»Mir war nicht bewusst, dass Ihr bereits aufgegeben habt«, näselte Askelanda.
»Wir haben nicht aufgegeben! Aber warum ein solches Risiko eingehen – wo wir doch einen viel schlimmeren Feind haben, mit dem wir uns befassen müssen, und eine Fabrik, die nicht mehr funktioniert?«
»Wenn die Fabrik funktionieren würde, müssten wir es nicht riskieren!«, hielt Askelanda ihr wütend entgegen.
Li-Jared mischte sich erneut ein. »Mit dem schlimmeren Feind meint Ihr …«
»Natürlich«, ging Kailan auf ihn ein. »Das Geschöpf der Dunkelheit. Den Todesschlund aus der unergründlichen Tiefe. Vielleicht könnt Ihr uns sagen, wie wir ihn aufhalten sollen. Aber falls Ihr das nicht könnt und wir die Fabrik verlieren …« Sie richtete den Blick auf Askelanda. »Warum sollten wir hier bleiben und auf die Katastrophe warten?«
»Warum umsiedeln und dabei Gefahr laufen, alles zu verlieren, Obliq? Der Todesschlund hat viele Jahre lang geschlafen.«
»Unruhig geschlafen, Askelanda! Sehr unruhig. Und nun ist er erwacht.«
Askelanda setzte zu einer Entgegnung an, überlegte es sich jedoch anders. Er drehte sich um und starrte ins Meer hinaus, wo unzählige Neri emsig damit beschäftigt waren, die Schäden des Bebens zu beheben. Soeben kehrte das letzte Tauchboot von seiner Rettungsmission in die Stadt zurück und glitt den Docks
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