Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
vor ihr nicht wie ein Angeber dastehen. Doch Crystal hatte den Kopf schief gelegt und wartete offenbar darauf, dass er weitersprach. Auf ihre stille Art war sie ziemlich beharrlich. In den letzten Tagen, seit er sie zum ersten Mal spielen gehört hatte, hatte er seine Meinung über sie geändert.
Lucthen grinste, als er daran dachte, dass der Wirt sich geweigert hatte für die Übernachtung Gold von ihnen anzunehmen. „Lady Crystal, es war mir eine Ehre“, hatte er beteuert und dabei Crystals schmale Finger mit beiden Händen festgehalten. „Ihr wart meine lieben Gäste, da werd ich doch kein Gold dafür nehmen, dass ihr uns beehrt habt.“ Lucthen musste gestehen, dass er sie unterschätzt hatte. Nicht nur war ihr Harfenspiel wunderschön und ihre Stimme glockenrein, sondern sie verfügte, wie jeder Liedmeister, auch über ein fundiertes Geschichtswissen. Seit sie ihm anvertraut hatte, was geschehen war, konnte er zudem besser verstehen warum sie meist so schweigsam und in sich gekehrt war. Manchmal allerdings, wenn es ihm gelang sie abzulenken, lebte sie regelrecht auf – so wie gerade eben. Dann gelang es ihm sogar, ihr ein seltenes Lächeln zu entlocken.
Lucthen gab sich geschlagen. „Die siebte und achte Stufe werden nur für besondere Leistungen verliehen. Die Farbe der achten und höchsten Stufe ist für alle Akademien Schwarz.“
„ Wie viele Magi der achten Stufe gibt es?“
„ Keinen. Es hat noch nie einen gegeben. Acht würde bedeuten, dass du zum Meister der Magie geworden bist, was Theorie und Anwendung betrifft. Wenn du mich fragst, ich glaube nicht, dass es je einen Magi der achten Stufe geben wird.“
„ Das heißt ja, du gehört zu den mächtigsten Magi der Mittellande!“, rief Crystal aus. Lucthen unterdrückte ein amüsiertes Schmunzeln, als er den Stolz in ihren Katzenaugen entdeckte. Der Gedanke, dass sie auf ihn stolz war, berührte ihn angenehm und zum ersten Mal betrachtete er sie nicht nur als Reisegefährtin, sondern als Freundin. „Ich habe die Robe für meine Forschungsarbeit erhalten“, erklärte er. „Ich trage seit Jahren alles zusammen, was wir Menschen über die elfische Sprache wissen und versuche daraus die alte Sprache zu rekonstruieren.“
„ Wie bist du darauf gekommen, ich meine, warum ausgerechnet dieses Thema?“, fragte Crystal neugierig.
Lucthen zuckte leicht mit den Schultern. „Von den Elfen wissen wir, dass sie mächtige magische Wesen sind, da ist mein Interesse an ihnen doch naheliegend, oder nicht?“
Einen Moment lang trafen sich ihre Augen und er hatte den Eindruck, dass sich Crystals einen Augenblick lang verengten. Er erwartete schon, dass sie nachfragen würde, doch dann wandte sie sich ab. Lucthen atmete erleichtert aus, es hätte ihm nicht gefallen, sie anlügen zu müssen, doch woher sein lebhaftes Interesse an allem, was mit Elfen zu tun hatte, rührte, wusste er selbst erst seit kurzem – und er war nicht bereit dieses Wissen mit irgendjemandem zu teilen.
Eine Weile ritten sie schweigend, dann fragte Lucthen: „Und dein Interesse an den alten Liedern, woher rührt das?“
Crystal schaute ihn lange an, wie um zu prüfen, ob er die Frage nur gestellt hatte um das Schweigen zu brechen oder ob ihn die Antwort wirklich interessierte. „Ich weiß nicht was zuerst da war, meine Liebe zur Musik oder meine Sehnsucht nach der Vergangenheit“, begann sie schließlich, „aber ich wusste immer, dass ich nie etwas anderes sein wollte als eine Liedmeisterin. Ich spüre die Veränderungen, ich mache mir Gedanken, aber ich komme keinen Schritt weiter. Manchmal denke ich, die Anderen spüren die Veränderungen nicht auf die gleiche Weise wie ich es tue – nur wenn sie eines der alten Lieder hören, werden sie für einige Zeit darauf aufmerksam gemacht. Mein Lehrmeister meinte, dass das den Kern der Lehre ausmacht, dass man die Veränderungen merkt und sie nicht gutheißt. Aber ich begreife sie nicht. Habt ihr Magi Theorien darüber?“
Lucthen schüttelte den Kopf. „Keine Vernünftigen.“ Ihm gefiel die Traurigkeit nicht, die sich in ihre Augen geschlichen hatte. Es war an der Zeit sie abzulenken. Er begann von seinem Vater zu erzählen, um sie abzulenken. Sie war eine gute Zuhörerin und erst als er wieder von dem Mann redete, der sein ganzes Leben beherrscht hatte – zuerst weil er sonst niemanden hatte der ihm zuhörte und ihn liebte, dann durch die Entscheidungen, die er getroffen hatte – merkte er, dass er den alten Mann vermisste und
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