Die Lichtermagd
brauchen ein Lager, Fischlein«, bat nun auch Luzinde. »Und zwar schnell.«
Also suchte der Knecht ihnen ein Lager an einer Baumgruppe, vor dem Wind geschützt und doch offen erkennbar. Luzinde stürzte sich derweilen mit klopfendem Herzen in die Vorbereitungen. Sie konnten den Verfolgern nicht entkommen. So aber würden sie bestimmen, wie ein Zusammentreffen mit ihnen aussah. Und das war besser, als im gestreckten Galopp auf der Flucht ertappt zu werden. Sie zog sich im Wagen ihr altes braunes Kleid wieder an, das sie auf dem Beginenhof erhalten hatte. Dann band sie sich ein Tuch um den Kopf und räumte sämtliches Kochgeschirr heraus. »Mach ein Feuer!«, befahl sie Fischlein. Der gehorchte kopfschüttelnd. Sie warf eines der Wachstücher über die Seite des Wagens, um mit zwei mitgeführten Stäben ein kleines Überdach zu bilden. So erweckte sie
den Anschein, dass sie in aller Ruhe ein Lager gebaut hatten und verdeckte gleichzeitig die dezenten jüdischen Ornamente, die dem Eingeweihten verrieten, wer der Besitzer des Wagens war.
»Gottschalk, mach dir ein Lager im Wagen. Fischlein, schirr das Pferd aus, reib es ab und leg ihm die Decke über«, bat sie, dann machte sie sich ans Kochen. »Und ach – nehmt eure Kappen ab!«
»De Kappen?«, fragte Fischlein entgeistert und sah zu Gottschalk hinüber. Erst als der zögernd die Kopfbedeckung herunterzog, tat Fischlein es ihm gleich. Doch er fluchte beim Versorgen des Pferdes wie ein Rohrspatz. Luzinde war froh, dass sie kein Wort verstand. Und dass Fischlein nicht wusste, dass ihr Plan zum Scheitern verurteilt war, wenn Ulman den Zug anführen sollte.
Sie selbst warf in den Kochtopf, was die meisten Gerüche hervorbrachte. Wen würde es stören, dass sie den Inhalt des Bierschlauchs hineingekippt hatte und mit Thymian und Nelke würzte? Der Geschmack wäre grässlich, doch darauf kam es nicht an. Immer wieder versuchte sie abzuschätzen, wie lange die Reiter noch bräuchten.
»Fischlein, leg dir die Decke um!« Sie reichte ihm eine schlichte Decke, denn seine Kleider besaßen keinen schlichten Schnitt. Als die Reiter näher und näher kamen, bat sie Gottschalk, sich auf das Lager zu legen, bedeckte ihn bis über den verräterisch kurz geschnittenen Bart mit einer Decke und entzündete eine Räucherschale daneben. Dann klappte sie die hintere Plane zu.
»Nur die Ruhe jetzt«, meinte sie. »Wir müssen so aussehen, als hätten wir alle Zeit der Welt. Ich rede«, sagte sie zu Fischlein. »Gottschalk ist dein Vater. Er ist krank, wir bringen ihn in ein Kloster …«, sie zögerte, denn ihr fiel keines ein. Sie
schwang sich auf den Bock und fragte leise: »Was für ein Kloster gibt es hier in der Nähe?«
»Dutzende«, gab Gottschalk zurück. »Castel is eines.«
»Wir bringen den Vater ins Kloster Castel«, gab sie an Fischlein weiter. »Er hat schlimme Gicht.« Fischlein nickte, doch er warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. Er stellte sich, nachdem er das Pferd abgedeckt hatte, trotzdem vor das Lager, einen Knüppel in Reichweite. Luzinde ließ ihn gewähren – jeder Mann würde das tun, wenn sich Fremde näherten.
Dann waren die Reiter heran. Von nahem betrachtet sahen sie noch gefährlicher aus, als Luzinde sie sich ausgemalt hatte. Doch es waren nur sechs. Und Ulman befand sich nicht unter ihnen. Alle besaßen nur halb vollständige Rüstungen zum Schutz des Körpers. Einer trug vernietetes Hartleder mit einer angeschnürten Panzerschulter sowie einen Topfhelm, der nächste hatte sich eine auf Leder genähte Kettenbrust umgebunden, wieder einer besaß gar ein mit Lederriemen geflicktes Kettenhemd, an dem eine großer Teil an der Seite fehlte. In den gegen die Kälte mit Lappen umwickelten Händen trugen sie Hämmer, Morgensterne und Schwerter. Ihre Gesichter wirkten brutal und kalt, die stumpfen Augen zeugten davon, dass der Tod ihr Geschäft war und dass sie sich ihre Gnade teuer erkaufen ließen. Doch auch sie sahen erschöpft aus. Besorgt machte Luzinde bei einigen von ihnen blutige Verbände an den Beinen oder den Armen aus. Hatten Josef und seine Männer sich ihnen etwa mit Knüppeln entgegengestellt? Sie wagte nicht, sich auszumalen, was ihnen geschehen sein mochte.
Fünf der Reiter hielten sich im Hintergrund und zügelten ihre dampfenden Pferde, der Mann mit dem geflickten Kettenhemd ritt die letzten Dutzend Ellen langsam heran. Sein hartes Gesicht trug die schlecht vernarbten Male vieler Kämpfe. Luzinde hatte den Wortführer schon mit Ulman
Weitere Kostenlose Bücher