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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Wieder schoss Luzinde verwundert die Frage durch den Kopf, wieso ein Krieger wie dieser Ritter einen so warmen Blick haben konnte. »Kennt Ihr den König denn näher, Herr?«
    »Kann man einen König kennen?«, fragte Wenzel.
    »Aber Ihr kennt ihn – persönlich.«
    »Das schon. Aber das heißt nicht unbedingt, dass ich ihn verstehe. In jedem Fall weiß er genau, was er tut.«
    »Ist er ein mitfühlender Herrscher?«

    »Mitfühlend?« Wenzel zog die Augenbraue hoch. »Er ist so mildtätig, wie man das von einem frommen König erwarten kann.«
    »Das heißt, er ist sehr christlich?« Das gab Luzinde Hoffnung. Sicher konnte ein guter Christ Gottschalks Anliegen nicht ablehnen?
    »Natürlich ist er sehr christlich«, entgegnete Wenzel. »Man nennt ihn den Frommen. Er hat in seiner Jugend sogar Visionen gehabt. Warum willst du das wissen?«
    »Mich interessiert, was er für ein Mensch ist«, erwiderte sie ausweichend.
    »Karl ist der König«, stellte er fest. »Er ist einer der großen Regenten der bekannten Welt. Er sorgt innerhalb der Gnade Gottes für Gerechtigkeit und das Wohlergehen seines Landes. Und er ist einer der frömmsten Christen, die es gibt.« Sein Tonfall hatte beinahe einen trotzigen Unterton.
    »Ich bitte um Vergebung«, murmelte Luzinde vorsichtshalber. »Ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Es klang fast so, als wäret Ihr nicht so ganz … freiwillig bei Hofe.«
    Wenzel suchte ihren Blick, und seine Grobheit verflog. »Schon gut. Ich wollte dich nicht anfahren.« Er band sich das Haar wieder zusammen. »Ich kam als Geisel in sein Haus. Mein Vater Rüdiger stand auf Kaiser Ludwigs Seite. Er versucht seit Ludwigs Tod sich Karl von Böhmen anzunähern. Eine Grundbedingung für das Vertrauen des Königs war ich. Und so kam ich als Geisel nach Prag.«
    »Das heißt, Ihr mögt Karl gar nicht?«
    »Was heißt hier mögen? Er ist mein Herr, und heilige Eide binden mich an ihn.Aber er ist … ein wenig ritterlicher König. Und mehr werde ich dazu nicht sagen.« Er runzelte wieder die Stirn. »Überlasse mich jetzt meinem Gebet, ja?«
    »Natürlich, Herr.« War dem Ritter das Gespräch zu persönlich
geworden? Die Magd neigte das Haupt und wollte sich schon umdrehen – da wurde sie von Wenzel am Umhang gepackt. »Herr!« Sie erstarrte in der Bewegung. Was war in ihn gefahren? Der Mann fixierte sie misstrauisch und hielt sie mit der einen Hand. Mit der anderen schob er den Stoff des Umhangs beiseite. »Was ist das?«
    Luzinde senkte den Blick vorsichtig, um zu sehen, was er meinte. Das Amulett war aus ihrem Ausschnitt gerutscht. Das Herz schlug ihr wild im Leibe, so dass sich der silberne Anhänger auf ihrer Brust hob und senkte. Trotzdem hatte offenbar auch der Ritter erkannt, dass sie das mit Kerzen bekränzte Antlitz der heiligen Luzia am Lederband trug. Erst ihre Anwesenheit hier am Schrein, nun das Amulett. Er würde sich bestimmt zusammenreimen, dass sie eine Christin war! Diese Erkenntnis machte sie am ganzen Leibe Zittern.
    »Die heilige Luzia!« Seine Brauen verengten sich, und er hielt sie weiter an dem Wollstoff fest. »Was willst du damit? Warum trägst du das?«
    »Ich …«, begann Luzinde, doch sie wusste nichts zu sagen. Sicher würde er eine weitere Ausrede mit ihrer Christenfreundin Anna durchschauen – doch was sollte sie ihm antworten? »Es – es ist ein Geschenk, Herr – von -«
    »Ich dachte, Bruder Ambrosius hätte übertrieben, als er euch Juden Ketzer genannt hat«, knurrte der Ritter. »Ich habe mich wohl geirrt.«
    »Nein, Herr – es ist ein Andenken, ich halte es in hohen Ehren, ich -«
    »Das hat bei dir nichts zu suchen.« Damit griff er sich das Amulett und zog es Luzinde unsanft über den Kopf. Erst dann ließ er sie los.
    Luzindes Herz raste so sehr, dass sie nicht einmal protestierte. Sie drehte sich um und floh den Hang hinunter, zurück zum
Lager. Dort rannte sie in Adam hinein. »Geht es dir – holla!«, rief er aus, als die Magd, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, weiterrannte.
    Auch Gottschalk schaute auf, als Luzinde herbeigerauscht kam und sich zitternd hinter den Baum setzte, unter dem sie ihr Gepäck gestapelt hatten. »’s was gescheen?«, fragte er besorgt. Doch Luzinde schüttelte nur den Kopf. Ihr Amulett – das Luzienamulett, das sie in jener Nacht erhalten hatte, als ihr Kind geboren war! – war fort. Sie versuchte mühsam, sich zu beruhigen. Vielleicht könnte sie morgen in vernünftigem Ton mit Wenzel sprechen und das Amulett zurückbekommen.

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