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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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irgendwann.«

    »Wann?«
    »Wenn du alt und grau geworden bist und einen Stall eigener Kinder und Kindeskinder besitzt, und es auch für dich Zeit ist zu gehen.«
    »Aber ich will den Zeydel jezt seen«, schmollte der Kleine mit Feuchtigkeit in den Augen. Wenn schon Erwachsene dem Tod verständnislos gegenüberstanden, wie musste es dann erst den Kindern gehen?
    Impulsiv nahm Luzinde das Kind in den Arm. »Nur Geduld. Das Warten lohnt sich.«
    Der Junge legte seinen warmen Kopf auf ihre Schulter und schmiegte sich an sie. »Na gut«, murmelte er. »Dann wart ich halt ein wenig.«
    Luzinde schloss die Augen. »Und derweilen lebst du dein Leben, so, wie der Gottschalk das gewollt hat.« Gleichzeitig bekam sie beinahe Angst. Bald würde sie ihren eigenen Sohn so im Arm halten. Was mochte er in seinem Leben alles erduldet haben? Welche Freuden, welches Leid hatte er erfahren? All das wusste sie nicht, und sie konnte es nicht mit ihm teilen, wenn sie ihn wiedersähe. Sie würden einander begegnen wie Fremde. Und doch schlug das Herz der jungen Frau höher bei dem Gedanken, dass sie den weiteren Weg nun zusammen gehen würden. Damals, vor fünf Jahren, da hatte die Angst sie beherrscht. Die Angst vor der Zukunft, die Scheu vor Ausgrenzung und Verantwortung, ja vor dem Leben – erstaunt horchte Luzinde in sich hinein und stellte fest, dass hiervon nur wenig geblieben war. Und sie dankte dem Herrgott dafür, dass sie die Chance erhielt, alles zum Guten zu wenden.
    »Luzinde? Get’s dir gut?«
    »Ja«, murmelte sie. »Mir geht es gut. Sammel deine Hagebutten ein und lauf ins Haus. Deine Mutter wird dich vermissen.«

    »Gut, Luzinde.« Der Bursche kicherte und lief davon.
    Der Gehorsam des Buben machte die Magd misstrauisch. Im selben Moment hörte sie ein Klappen von oben, doch als sie zum Haus emporsah, da waren alle Fensterläden geschlossen. Dann verspürte Luzinde ein Jucken am Rücken. Sie verrenkte den Arm, um die Stelle zu erreichen, doch sie lag gerade au ßerhalb ihrer Reichweite, zwischen den Schulterblättern. Sie schüttelte sich und versuchte, das Jucken zu ignorieren, doch statt besser zu werden, breitete sich das Picken und Zwicken eher noch aus. Also lehnte sie sich an den Türrahmen von Rosas Hofeingang und rieb sich. Als es ihren Rücken hinabrieselte, da musste sie lachen. Natürlich! Der kleine Teufel Jakob hatte ihr die Samen der Heckenrose, die er aus der Frucht gepult hatte, auf den Rücken gestreut! »Du Biest«, zischte sie grinsend. Als das Jucken erträglich geworden war, sammelte sie ein paar der Früchte ein. Vielleicht machte sie ihrem Sohn damit eine Freude.
    Luzinde trat in Rosas und Ysaacs kaum erleuchtete Stube. Sie wollte sich zurückziehen und ihr Gepäck zusammensuchen. Sie gestand sich ein, dass sie auch Rosa und Wenzel aus dem Weg gehen wollte. Sie mochte die beiden über ihre Abreise nicht belügen. Doch Wenzel saß bereits auf der Bank an der Tür und wartete auf sie. Er erhob sich, als sie zur Treppe ging.
    »Luzinde«, begann er, »ich würde dich gerne sprechen, ich -«
    »Ich bin sehr müde, Wenzel«, unterbrach sie ihn schnell. »Ich möchte mich eigentlich nur hinlegen.«
    »Hinlegen«, murmelte er, offenbar ein wenig betreten. »Ich – nun gut, dann -«
    Doch bevor er ausreden konnte, ging die Tür hinter Luzinde wieder auf. Mose und Rebekka baten um Einlass.

    »Luzinde!«, rief Mose. »Wer brauchen deinen Rat!«
    Luzinde hatte sich schon wieder der Treppe zugewandt. Sie wollte die Freunde nicht brüskieren, doch sie traute sich selbst nicht so ganz, ihre Abreise heute Nacht geheim halten zu können. Und sie wollte ihnen auch nicht ins Gesicht sehen und mitteilen müssen, dass sie sie im Stich lassen würde. »Ich wollte eigentlich gerade -«
    »’s wird schlimm«, unterbrach Rebekka, deren geschwollene Augen verrieten, dass sie geweint hatte. »Was in der Schtot forget, das is zum Firchten, Luzinde.«
    »Wer hetten gleich geen solen, als de uns von den Plenen des Rates erzelt hast«, murmelte Mose dazu.
    Luzinde seufzte. Nein, sie konnte die Freunde nicht einfach so hier stehen lassen. »Das alles konnte man damals doch noch nicht voraussehen, Mose«, tröstete sie den Mann. »Hinterher ist man immer schlauer.«
    »Aber damals hetten wer noch geen kennen. Nu lassen se uns nit mer.«
    »Wieso lassen sie euch nicht mehr?«, fragte Luzinde besorgt.
    »Der Rat lesst ab und an Jidene aus der Schtot weg, wen se sich freikaufen. Is teier, und man darf kaum was mitnemen. In der

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