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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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der Klang der hellen Glocke vom Dominikanerkloster die Morgenstunden zählte. Die Terz war heran. Bald wären Jakob und die anderen auch in Sicherheit.
    Sie musterte Wenzels Profil in dem frühen Licht, dass durch die halb offen stehende Tür hereindrang. »Danke«, sagte sie sanft.
    Er sah erstaunt auf. Dann schüttelte er den Kopf. »Du musst dich nicht bedanken.«
    »Ihr müsstet das aber nicht tun.«
    »Du auch nicht.«
    »Doch«, erwiderte sie düster. »Ich muss das tun. Für Gottschalk. Und für Jakob.«
    »Und für Hannes?«
    Luzinde nickte. »Auch für ihn.« Sie hatte in den letzten Tagen auch deshalb so unermüdlich gearbeitet, um jeden Gedanken an ihr Kind zurückzudrängen. Sie hatte Ulman nichts anzubieten, um es zurückzubekommen.
    »Weißt du«, meinte Wenzel nachdenklich, »der beste Ort, um ein angebliches Waisenkind aufzuziehen, ohne dass es jemanden kompromittiert, ist ein Konvent. Oder ein Kloster.«
    Luzindes Kopf ruckte hoch. Ein Kloster? Sie suchte in Wenzels Zügen nach einer Antwort. Margarets Familie hatte eine Nonne gerufen, die ihr das Kind geraubt hatte. Die Nonne hatte Brusttuch und Schleier der Klarissen getragen. Man hatte sie Elisabeth genannt – Schwester Elisabeth. War Margaret nicht hier in Nürnberg in dem Klarissenkloster von einer Nonne namens Elisabeth Stromer angestellt worden? Und handelte
es sich dabei nicht um Ulmans Tante? Luzinde hatte plötzlich eine Ahnung. Die Welsers hatten Verbindungen zu den Stromers. Die Nonne hatte ihnen einen Gefallen getan, indem sie das unerwünschte Kind weggeschafft hatte, das Margarets eigenen Kindern das Erbe hätte streitig machen können. Daher war ihr die Nonne bei den Klarissen bekannt vorgekommen! Luzinde hatte sie nicht sofort wiedererkannt, weil es damals in der Kate so dunkel gewesen war – ganz zu schweigen von der Anstrengung der Geburt. Umgekehrt musste Elisabeth Stromer Luzinde schneller erkannt haben.Wusste Ulman vielleicht von seiner Tante um ihre Vergangenheit?
    »Luzinde? Geht es dir gut?«, fragte Wenzel.
    »Ja«, log sie. »Elisabeth weiß, wo er ist.«
    »Wer?«
    »Hannes. Sie weiß, wo mein Kind ist. Sie hat ihn mir weggenommen. Die Nonne im Klarissenkonvent!«
    »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher.«
    »Dann sollten wir den Klarissen einen Besuch abstatten.«
    Luzinde nickte. Sie wollte sofort aufspringen und losrennen, wollte Elisabeth schnappen und sie schütteln, bis sie ihr gestand, wo sie das Kind hingeschafft hatte. Doch sie beherrschte sich. »Ja. Aber erst müssen wir das hier zu Ende bringen.«
    »Bist du sicher? Es wird noch Stunden dauern, bis alle Juden hinaus sind. Und was passiert, wenn der Morgen graut, kannst du dir vorstellen.«
    »Aber wir beide kennen die Gänge hier inzwischen mit am besten. Einer von uns muss mit durch, der andere hält hier Wache, um die nächsten zu empfangen.« Sie horchte auf ihr Inneres. »Ich habe fünf Jahre lang gewartet. Nun kommt es auf fünf Stunden nicht an.«

    Wenzel nickte und drückte ihr mitfühlend die Hand. »Du musst dann nicht allein gehen.«
    »Ja«, sprach sie leise. »Ich weiß.« Wenzels Leib war ihrem nun ganz nahe.
    Hastige Schritte hallten von den Häuserwänden der engen Gasse wider. Luzinde spähte hinaus. Ein Grüppchen näherte sich von Süden her. Es handelte sich vielleicht um zwölf Leute – fast doppelt so viel, wie es hätten sein sollen. Jakob musste irgendwo unter ihnen sein und ängstigte sich vermutlich zu Tode.
    »Sie sind laut«, stellte Wenzel besorgt fest.
    Die Leute näherten sich hastig. Luzinde merkte, wie sie sich in den Fäusten die Fingernägel in die Handflächen bohrte. Sie zwang sich zur Ruhe. Die Leute würden es schaffen. Niemand würde sie entdecken.
    Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, da bogen dunkle Gestalten um eine Ecke. Ein greller Schreckensschrei ertönte, und die Juden erstarrten. Dann näherten sich die beiden Gruppen einander an.
    »Wer ist das?«, fragte Luzinde. »Turmwächter?«
    Wenzel antwortete nicht, auch er stierte ins Dunkel.
    Stimmen drangen an ihre Ohren. »Sie unterhalten sich?«, fragte Luzinde ungläubig.
    »Ich sehe nach«, zischte Wenzel und sprang aus dem Eingang auf die Straße.
    Luzinde beobachtete das Treiben aus der Ferne. Wenzel näherte sich den Menschen, wechselte ein paar Worte, dann trieb er sie mit einer Bewegung, die an einen Hirten erinnerte, zum Haus hinüber. Luzinde entspannte sich erst, als die Ersten zur Tür hereinkamen. Dann drückte sie Rosa und Jakob kurz an

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