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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Er sah sich um. Das war das Haus des Juden Gottschalk, eines wohlhabenden Kaufmanns. Und er kam zu spät! Wütend sah er den Männern hinterher, die bereits durch die niedrige Tür getreten waren.Was sollte es – vielleicht gab es ja doch noch genug zu holen. Romer baute sich auf, straffte sein bereits blutbespritztes Wams und nahm das Messer vor. Irgendwie musste es sich ja lohnen, dass er die ganze Sache losgetreten hatte!
    In der Diele von Gottschalks Haus drängten sich bereits Männer aller Stände und Handwerke und zerschlugen die Einrichtung. Der einäugige Romer fluchte. Wenn er nur so breite Schultern hätte wie der Caspar, er wüsste sich ausreichend Respekt zu verschaffen! Doch was andere an Kraft besaßen, besaß er an Schläue, und so dachte er nach. Wo ließe sich wohl noch etwas finden? Wollte er jemanden abstechen, müsste er wohl in die Küche zum Gesinde gehen. Doch die Frau im anderen Haus war nicht so leicht gestorben, wie er sich das gewünscht hatte. Außerdem wollte er verflucht sein, wenn er ohne eine anständige Entlohnung aus diesem ganzen Chaos hervorginge! Also rannte er, mehrere Männer anrempelnd, die Treppe hinauf.
    Oben stapfte er mit seinen vom Schneeschlamm dreckigen Stiefeln über den kostbaren Teppich. Er war nicht der Erste; das teuere Stück, das sicher einen guten Profit abgeworfen hätte, war bereits völlig ruiniert. In der Kemenate musste er
mit ansehen, wie jemand einen goldenen Leuchter einsteckte, platzte in eine Schreibstube, in der ein Teil der Meute schon unchristliche Bücher und Schriften aus dem Fenster warf, und rannte blind in die nächste Kammer, wo ein großes Bett stand. Er triumphierte, denn hier war offenbar noch niemand vor ihm gewesen. Von den geschnitzten Pferden und Puppen her schloss er, dass dies wohl eine Kinderstube war. Zwei Truhen brachten kleine Gewänder aus Samt und Seide hervor, von denen er sich ein, zwei schnappte. Die waren gut gearbeitet, aber schwer zu transportieren.Wenn er etwas Besseres fand, könnte er sie immer noch wegwerfen. Er grub in der Kiste bis zum Grund und fand eine Brosche mit einem Rubin. Er musste sich beherrschen, um nicht vor Freude zu jauchzen. Dann öffnete er einen Krug, der auf einem Seitschrank stand.
    Aus dem Gefäß schnellte ihm etwas Dunkles entgegen, haftete sich klebrig an sein Gesicht und verdunkelte sein verbliebenes Auge. Romer der Schneider schrie auf. Er ließ sein Messer fallen und streifte sich mit den Händen mehrfach über das Gesicht, bis er endlich wieder sehen konnte. Er sprang zurück und presste sich mit klopfendem Herzen an die Wand. Was für eine Teufelei war das gewesen?
    »Das ist bloß ein Frosch, Mann!«, lachte neben ihm ein Kerl. Und tatsächlich. An der Wand hing eine kleine grüne Kreatur. Der Kerl griff sich den Krug, aus dem der Frosch geschnellt war, und warf ihn zielsicher. Zurück blieb nur ein Blutfleck. Der Schneider fühlte sich vor Scham und Wut erröten. Das Blut rauschte so laut in seinen Ohren, dass er kaum mehr etwas anderes hörte.
    »Vielleicht solltest du mit den Frauen Stullen schmieren, Mann, wenn dich so ein kleiner Wurm schon so verschreckt«, lachte der Kerl laut. So laut, dass es durch das Rauschen in Romers Ohren drang.

    Mit diesem Kommentar war es um des Schneiders Selbstbeherrschung geschehen. Bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, hob er seinen Dolch auf, wirbelte herum und bohrte dem Mann die Klinge in den Bauch. Er hatte seit der Judenfrau dazugelernt – er stieß ihn nicht in die harte Brust, sondern durch die weichere Bauchdecke. Der Kerl klappte vornüber und japste vor Schmerz, doch Romer ließ nicht locker. Er hielt den Mann fest und drehte den Dolch so lange weiter, bis ihm das Gekröse entgegenquoll und er nicht weiterkam. Der Mann rutschte auf den Boden, sich windend und vor Schmerz brüllend. Romer grinste auf ihn nieder. Nach allem, was die Bader sagten, würde es lange dauern, bis er so krepierte. Sollte er doch – es geschah ihm Recht. Natürlich könnte er ihm noch die Kehle durchschneiden, um sein Leid zu verkürzen. Romer erwog den Gedanken kurz. Schulterzuckend entschied er sich dagegen. Er wollte sich gar nicht erst in die Reichweite dieses Kerls begeben, noch hatte er genug Mitleid mit ihm. Also stieg er über ihn hinweg.
    Romer war schon halb zur Tür heraus, da hörte er ein leises Geräusch. War es ein Schluchzen gewesen? Ein Schaben? Er unterzog die Kammer und das Bett noch einmal einer genaueren Betrachtung. Niemand hatte

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