Die Lichtermagd
Luzinde so bewundert hatte, und warf ihn dem Büttel zu. »Damit is de Schuld getilgt, jo?«
»Ja, versteht sich«, erwiderte der Büttel. »Pass das nächste Mal besser auf deine Geylerin auf.« Damit versetzte er Luzinde noch einen kleinen Tritt, der mehr ihrem Stolz als ihrem Gesäß schadete. Dann grinste er. »Wofür du auch immer eine Geylerin brauchst.«
»Oh, das werd ich«, meinte Gottschalk und neigte das Haupt.
Dann war Luzinde mit ihm allein. Doch die Erleichterung wollte sich nicht einstellen. Eine Situation, vielleicht die gefährlichere, hatte sie zerstreut. Doch wie würde es nun weitergehen? Was würde der Jude von ihr wollen? Gott wusste, dass dieses Volk nicht dazu neigte, Christen umsonst einen Gefallen zu tun. Luzinde sammelte hastig ihre Sachen zusammen und stopfte sie wieder in den Beutel. »Ich will dir nicht zur Last fallen«, sagte sie brüsk. »Ich werd einfach verschwinden.«
»Voll Dank is se«, schmunzelte der Alte. »Ich hätt’se dem Kerl mit dem Knippel lassen sollen.«
Luzinde hielt inne. Ja, sie war undankbar. Doch sie fürchtete, wenn sie freundlicher wäre, müsste sie dem Mann Zugeständnisse machen. Aber immerhin hatte er sie vor dem Knüppel des Büttels bewahrt. »Es tut mir leid«, sagte sie darum ehrlich. »Du hast mir sehr geholfen. Dafür verdienst du meinen Dank.«
Der Alte zog die buschigen Brauen hoch. »Ich wird mich ja freien – aber de hast mir keine Wal lassen«, erwiderte er. »Trotzdem, hast Anstand im Leib. Das ehrt dich unter den Geylern.«
»Ich hoffe, das gilt auch für dich«, entgegnete Luzinde warnend. Der alte Mann wendete sich kopfschüttelnd ab, um zu gehen. »Jetzt zweifelst wider an meiner Erlichkeit. Im ganzen Kinigraich gibt’s so viel Geyler, und ich treff ire Firschtin?«
»Ich kenn dich und deine Sitten nicht«, erwiderte Luzinde, die nur die Hälfte seiner Worte verstand. Doch der barsche Ton von eben tat ihr leid. Sie wollte nur weg von hier, an einen Ort, an dem sie sich sicher fühlte. Das Heimweh nach Pillenreuth befiel sie nicht zum ersten Mal. Sie wünschte nichts sehnlicher, als dorthin zurückkehren zu können, wo sie einen Platz in der Welt zwischen halbwegs freundlichen Gesichtern hatte. Sie raffte sich vorsichtig auf. »Jedenfalls dank ich dir wirklich. Der Büttel hätte meine Knochen zu Brei gemahlen.« Doch als sie einen Schritt nach vorne tat und ihr Bein belastete, da schrie sie vor Schmerz. Sie sah den Alten noch aufschrecken, als ihr das Blut aus dem Kopf sackte. Der schmuddelige Boden wankte. Was dann geschah, das wusste sie nicht mehr.
Als Luzinde wieder zu sich kam, herrschte draußen bereits Dunkelheit. Verwirrt sah sie sich um, denn sie hatte keine Erinnerung daran, wo sie sich befand oder wie sie hergekommen war. Sie lag auf einem Lager mit sauberem Leinen. Der Duft von verbrannten Kräutern stieg ihr in die Nase. Die Kammer, in der sie sich befand, wirkte warm, ordentlich und wohnlich. Kleine geschnitzte Puppen zierten einen Tisch, daneben hing ein schilffarbenes Überkleid aus Leinen mit einer interessanten Stickerei neben einem Wollumhang an einem Haken. Darunter stand ein Paar Holztrippen mit Lederriemen, die nur darauf zu warten schienen, dass jemand sie sich über die Lederschuhe zog. Ein Wasserkrug aus Steinzeug stand neben einer Holzschüssel auf einer großen Truhe. Luzinde erstarrte, als sie daneben einen mit Schnitzereien versehenen siebenarmigen Kerzenleuchter erspähte.War sie im Haus des Juden? Wenn ja, wie war sie hierher gekommen? Als sie versuchte, sich zu bewegen, stellte sie fest, dass sie nur ein langes Hemd trug und
sich ihr Bein merkwürdig anfühlte. Unwillkürlich ertastete sie einen feuchten Verband aus Leinen um ihren linken Oberschenkel. Sie begann panisch daran herumzufingern.
»Las des Tuch wo’s is«, vernahm sie eine Stimme von der Tür her. Eine Magd in sandfarbenem Gewand und Kopftuch kam herein, eine dampfende Holzschüssel in Händen. »Es helt de Arnika und des Silberkraut fest. De hast da en ganz harten Schlak auf das Bein bekumen, was, Schicksa? Steckst innen Schlimassel, hm?« Sie setzte sich neben Luzinde auf das Lager und reichte ihr die Schüssel.
»Arnika?«, fragte diese und strich eine Locke ihres fülligen Haares hinter das Ohr. Wollte man ihr einen Liebeszauber anhexen? Sie nahm das Gefäß und schnupperte misstrauisch daran – eine dicke Suppe mit Huhn und Kräutern.
Die Magd lachte. »Der Her hat schon gesakt, du wirst nit essen, ohne vorher in der Sup
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