Die Lichtermagd
Luzinde.
»Warum trägst du dann ein Gewand, auf dem ein siebenarmiger Leuchter eingestickt ist?« Schwester Elisabeth wies auf das grüne Kleid Luzindes. »So etwas tragen nur Juden. Und Juden ist es verboten, an christlichen Messen teilzunehmen, das ist dir doch wohl klar! Willst du unseren Glauben verhöhnen?«
»Ich – nein, ich bin -«, Luzinde wollte ihr versichern, dass sie eine Christin war, dass sie an den Heiland glaubte und niemals an den jüdischen Ketzereien teilhaben würde, da fiel ihr Blick auf Ulman Stromer. Der junge Mann hatte sich durch die Menge geschoben und trat nun ebenfalls zu ihnen. Sie verstummte. Ulman hielt sie für eine Verwandte Gottschalks.Wenn sie ihm jetzt erklärte, dass sie eigentlich doch keine Jüdin war, dann stünde sie erst recht als Lügnerin da.
»Schwester Elisabeth?«, fragte Ulman die Nonne mit einem Seitenblick auf Luzinde, die so plötzlich der Mittelpunkt des Interesses eines kleinen Grüppchens von Leuten geworden war. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Diese Frau hier«, Elisabeth deutete auf Luzinde, »hält sich hier auf, obwohl sie mir doch eine Jüdin zu sein scheint. Hier, auf geweihtem Grund, während der heiligen Messe!«
Ein Handwerker neben ihr schüttelte erbost den Kopf. »Sie will sich über uns lustig machen!«
»Wenn nicht Schlimmeres!«, orakelte ein Greis.
»Wir sollten sie verjagen und ihr eine Lektion erteilen, damit sie nie zurückkommt!«, keifte ein Weib.
Luzinde wich erschrocken einen Schritt zurück. Sie kannte diese Feindseligkeit. Damals, in Lindelberg, hatten sich wegen ihrer Leibesfrucht all jene Menschen gegen sie gewandt, mit denen sie doch vierzehn Jahre lang aufgewachsen war. Das hatte sie mehr geschmerzt als die Ablehnung dieser Leute hier. Doch Luzinde spürte, dass es nur einen Funken brauchte, um ein Feuer zu entfachen, das niemand mehr würde löschen können. Diese Menschen würden nicht zögern, Hand an sie zu legen. Sie sah sich hilfesuchend um.
Margarete sah von Luzinde zu Elisabeth und der feindlichen Gruppe hin und her. Sie schien sich insgeheim zu freuen, dass die Magd in Schwierigkeiten steckte, und machte einen Schritt zurück. »Sie ist -«
Luzinde sollte nie erfahren, was Margaret über sie sagen wollte, denn Ulman fiel der Frau ins Wort. »Dies ist keine Jüdin«, sagte er zu der Nonne. »Sie trägt zwar ein Kleid aus einem jüdischen Haus, aber sie ist keine Jüdin.«
»Das wisst Ihr sicher?«, fragte Schwester Elisabeth.
»Ganz sicher.«
Die Nonne musterte Luzinde noch einmal eindringlich. »Nun gut«, murmelte sie. »Wenn Ihr das sagt … Zieh dir das nächste Mal etwas Anständiges an, Weib!«
»Ja, Schwester«, erwiderte Luzinde erleichtert. Sie wollte sich schon wieder der Gemeinde der Gläubigen anschließen, da fühlte sie sich von Ulman Stromer am Arm gepackt und hinausgeschoben. Sie verkniff sich einen Protest.
»Du solltest nicht hier sein«, stieß er hervor, als sie vor der
Kirchhalle auf dem Hof standen. »Juden dürfen wirklich nicht an Messen teilnehmen, das solltest du doch wissen. Genauso wenig, wie ihr an Feiertagen vor die Tür treten dürft, habt ihr einen Fuß in ein christliches Kloster zu setzen. Du kannst froh sein, dass man dich nicht totgeschlagen hat! Was willst du nur hier?«
»Ich …«, begann Luzinde, doch er unterbrach sie schnell.
»Ich will gar nicht wissen, was du hier für deinen Herrn getan hast«, sprach er eindringlich. »Die Menschen hier sind sehr zornig, was die Verteidigung ihres Glaubens gegen die Juden angeht. Sie werden schnell handgreiflich.«
Luzinde senkte den Blick. Nun war der Zeitpunkt, an dem sie ihm sagen musste, dass sie wirklich eine Christin war und seine Lüge eigentlich der Wahrheit entsprach. Doch wie sollte sie ihm erklären, dass sie das Missverständnis nicht schon längst aufgeklärt hatte?
Sie rang noch mit sich, da nahm er ihre Hand und trat vor sie. »Wollt Ihr mir etwas versprechen?«, fragte er mit rauer Stimme. Seine Finger lagen warm auf ihrer Haut, und Luzinde konnte nur nicken.
»Seid Ihr von jetzt an vorsichtiger?«
»Ja«, murmelte Luzinde und sah Ulman in die Augen. Er hatte sie beschützt, gar für sie gelogen. Er sorgte sich um sie und behandelte sie von Angesicht zu Angesicht, als wäre sie ihm gleichgestellt. »Ich verspreche es.«
Er nickte. »Danke«, murmelte er. Dann fiel ihnen beiden auf, wie nah er ihr bereits gekommen war. Hastig trat er einen Schritt zurück. »Euer Wohl liegt mir am Herzen«, setzte er noch
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