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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Buch über die Unbeständigkeit der bösen Engel und Dämonen er verhältnismäßig günstig für die Universität in Cornell erworben hatte.
    »Ja, de Lancre!«, nahm Monsieur Aintroux nun den Faden auf. »Er soll ziemlich gewütet haben, besonders in meiner Heimat Bayonne und im Bezirk Labourd. Als königlicher Anwalt im Departement Bordeaux füllte er innerhalb von zwei Jahren von 1609 bis 1610 die Gefängnisse derart mit Hexen, dass für gewöhnliche Gefangene kaum mehr Platz war. Auch dem Bischof wurde es zu viel, sagt man, er versuchte ihn loszuwerden, wandte sich deswegen sogar an den König, weil de Lancre die Leute mit seinen Hexen verrückt mache. Bei mir zu Hause erzählt man sich noch heute phantastische Geschichten über ihn, vor allem, dass er kaum die Folter einzusetzen brauchte, da die Frauen bei ihm alle freiwillig gestanden hätten, und dass die Hinrichtungen besonders feierlich gewesen seien!«
    »Das hat er sich von den spanischen Autodafes abgeschaut.«
    »Ich weiß, diese pompösen Massenverbrennungen
    konvertierter Mauren und Juden während der spanischen Inquisition.«
    »Genau! Darauf scheint sein ganzes Buch ausgerichtet zu sein. Ihm ging es anscheinend mehr um die äußere Form, um die Korrektheit und Eleganz seiner Prozessführung zu unterstreichen. De Lancre war ein Bürokrat und Schöngeist. In seinem Buch wirkt fast jeder Satz gespreizt, man spürt geradezu, wie er um die Eleganz jedes einzelnen Wortes gerungen hat.«
    »Aber wieso sollten die Frauen alle freiwillig gestanden haben? Man erzählt, er selbst habe geschrieben, bei über fünfhundert Verhörten habe er nur in drei Fällen die Tortur anwenden müssen!«
    Burr blieb stehen.
    »Der Schlüssel dazu – sofern die Zahlen überhaupt stimmen
    – dürfte in seiner Eitelkeit liegen. Satan war listig, aber er, Pierre de Lancre, war noch listiger. Mit dessen eigenen Methoden wollte er den Teufel vorführen. Dazu brauchte er das Vertrauen der Angeklagten. Vielleicht so: Nein, Marie, das ist kein Verhör, das ist nur ein Gespräch zwischen uns beiden.
    Komm, setz dich doch! Marie ist erleichtert, der Herr da ist kein strenger Richter, wie sie alle sagen, sondern ein gebildeter und einfühlsamer Mann. Marie, sagt er dann, du wirst verstehen, dass noch nicht alle Fragen geklärt sind. Ich muss jetzt fort, dringende Geschäfte, verstehst du, aber ich komme wieder und dann reden wir weiter. Doch de Lancre lässt sich Zeit, sehr viel Zeit. Wenn er endlich zu den Verhören kommt, wird er schon längst nicht nur von Marie geradezu sehnsüchtig erwartet. Sobald er da ist, gibt es bessere Verpflegung, frisches Stroh wird eingeschüttet und die verrohten Wachen sind mit einem Mal beinahe zuvorkommend. Marie freut sich, ja sehnt sich nach dem freundlichen Richter, der ihr zuhört, ihr das Gefühl gibt, fast so etwas wie gleichwertig mit ihm zu sein, der sie nicht anschreit, höchstens tadelnd eine Augenbraue in die Höhe zieht. Endlich wieder heraus aus dem Loch. Es vergessen, wenn auch nur für kurze Zeit. Um ja nicht so schnell wieder dahin zurückzumüssen, will sie ihm gefallen, schmückt sie ihre Geschichte mit immer noch verrückteren Details aus und als sie merkt, dass sie hereingelegt wurde, ist es zu spät. Alles ist protokolliert. Der Hexensabbat ist das wahre Paradies, dort ist mehr Vergnügen, als Ihr Euch vorstellen könnt! Das hat sie gesagt und so steht es jetzt fein säuberlich in den Akten. Aber de Lancre ist ja nicht der einzige Hexenrichter im Land – nur der Einzige, der nicht oder kaum foltern lässt, wiewohl er sich diese Option offen hält – und er will sich nicht mit seinen Kollegen anlegen, wenn er schreibt: In Wahrheit bereitet ihnen ihr Martyrium, ob durch Folter oder Galgen, so viel Vergnügen, dass viele darum bitten, zur Hinrichtung geführt zu werden, und freudig ihre Qualen ertragen. So sehr sehnen sie sich danach, bei ihrem Teufel zu sein!«
    »Gerard, kannst du dich ein wenig beeilen? Wir haben Nachwuchs bekommen und das gleich zwei Mal. Aber ich werde mit ihnen nicht fertig!« Die Stimme der Frau klang aufgeregt, ein leicht verärgerter Ton ließ sich nicht überhören.
    George Lincoln Burr hatte nicht den blassesten Schimmer vom Umgang mit Schafen, geschweige denn von Geburten, und konnte daher nichts Ungewöhnliches entdecken. Gerard aber ließ ihn wortlos stehen und hastete auf die Weide.
    »Sie will es nicht und allein komme ich ihr nicht bei!«
    Das Mutterschaf war schon wieder auf den Beinen, die beiden

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