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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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Regimentskameraden; und in dem kleinen lila Couvert wird sicher eher eine Zahlungsaufforderung der Firma für Weißwäsche stecken als die Liebeserklärung einer schwärmerischen Jungfrau; Geschäftsleute schicken ihren Schuldnern heutzutage nämlich ihre Mahnungen in vonFrauenhand adressierten, stimmungsvollen Couverts, weil sie ahnen, dass Firmenbriefe gar nicht geöffnet werden. Ja, und wenn ich dann schon an der Arbeit bin, ruft irgendein Ladeninhaber an, bei dem ich meinen Hut oder den Überzieher gekauft habe: Wir hoffen, gnädiger Herr, dass Sie uns, sobald Ihr neues Stück aufgeführt wird, nicht vergessen, Sie haben seit Längerem nicht geruht, Ihren Minussaldo zu tilgen. Und dann klingelt der Bote vom Kreisgericht, und es klingelt der Steuerexekutor; der rührt in dieser Wohnung nichts an, lässt mich lediglich das Protokoll unterzeichnen und raucht eine Zigarette mit mir; ich muss den gebrochenen Mann immer auffordern, Platz zu nehmen, er klagt sich gern aus, nimmt jedes Mal Lesestoff mit und bringt das ausgeborgte Buch auch ordnungsgemäß wieder; in Zeitungspapier eingeschlagen.
    Dann ruft mich die
Rampe
an,erkundigt sich,wann sie einen Mitarbeiter zum Interview vorbeischicken kann, wegen des neuen Stücks. Um Gottes willen, schicken Sie keinen Mitarbeiter her, ich bin nicht da!, und ich knalle den Hörer auf. Aber eine Stunde später kommt der Bursche von dieser Ramponie, ich habe keinen Bedienten, der mich verleugnen könnte. Als ich ihn mit Hilfe der Tür zum Vorzimmer hinausschieben will, fängt er an zu weinen, wenn er mit leeren Händen in die Redaktion zurückkommt, wirft man ihn bei dem Blatt hinaus. Er hat kein Fixum, wird nach Zeilen bezahlt, macht Umfragen und Interviews, muss unentwegt Schauspielerinnen und Autoren belästigen, und von dieser aufdringlichen Unverschämtheit hat er einen Vater zu ernähren, der seinen Posten verloren hat. Man muss ein Herz haben, verbindlich sein, nicht wahr, so ekelhaft es auch ist; ich komplimentiere den Jungen hinaus, ermächtige ihn aber, ein angeblich mit mir geführtes Interview zu erfinden,ich werde ihn bei der rampe nicht verraten. Der Junge rennt dann zum Theater, besorgt sich die Geschichte meines Stücks beim Sekretär,denn weiter hinauf lässt man ihn nicht; der Sekretär hat auch schon etwas davon mitbekommen; kriege ich dann die vom Volontär und vom Theatersekretär komponierte Geschichte in der
Rampe
zu Gesicht, würde ich am liebsten vor Scham versinken, wenn es überhaupt noch üblich wäre, sich zu schämen. Dann ruft Piri Platine an, die ich von irgendeiner Bühne her kenne, ein, zwei Jahre hing sie beim Theater herum. Sie gehört zu der Sorte von Aktricen, die, wenn man sie fragt, wo sie denn auftreten, zu antworten pflegen: Sie trete nicht, sie falle auf. Jetzt fällt sie nicht einmal mehr auf, sie hat einen so wohl situierten Freund, dass sie sich das Privatisieren leisten kann.
    »Hallo, Sie böser Junge«, sagt sie, »wenn’s nach Ihnen ginge, könnte man glatt gestorben sein. Warum melden Sie sich nie, ich muss so oft an Sie denken, wie schön wäre es doch, mal wieder zusammen zu sein. Aber da passt wohl schon
eine
sehr gut auf Sie auf, wie? Nannaaa!»; bei diesem Nannaaa hat sie gezwinkert und neckisch mit dem Finger gedroht.
    Sie möchte eine Rolle. »Schreckliche Sehnsucht« hat sie nach der Bühne, sie langweile sich so. In meinem Stück würde sie selbst die kleinste Rolle übernehmen, natürlich weil ich es bin.
    Es dauert drei Minuten, bis ich meine Verblüffung so weit überwunden habe, dass ich der süß flötenden Piroschka Platine dringend für immer Ade sagen kann. Und danach massiere ich mir fünf Minuten lang den Kopf, weil er vor Ärger zu platzen droht. So arbeite ich. Wenn ich dann gegen Abend beim Theater vorbeischaue, gehen mich die Blondinen leibhaftig an, die lächelnde Lola, Mizzi das Mäuschen und die kühle Karola: nicht wahr, Sie erwähnen mich doch drinnen, ich möchte so gern dabei sein bei Ihrem Stück! Auch das sind versorgte Damen, sie wollen sich nur ihre Identität als Schauspielerinnen dadurch bestätigen lassen, dass sie dank der Gunst des Direktors, des Regisseurs, eines Hauptdarstellersoder Autors dann und wann auf der Bühne erscheinen. Und dann sitzen im Zimmer des Sekretärs all die anderen Mädchen ohne Engagement, hängen im Aufenthaltsraum herum, lassen sich halsen und busseln; entweder sind sie völlig unbegabt oder nicht hübsch genug, natürlich glauben alle, sie seien nur deshalb

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