Die Liebe deines Lebens
den Revolver weggelegt und mich die Polizei rufen lassen. Sie haben anders ausgesehen, befreit, und ich war so erleichtert, so glücklich, dass ich Sie überzeugt hatte, aber dann wusste ich auf einmal nicht mehr weiter. Wahrscheinlich waren es grade mal fünf Sekunden, aber es kam mir ewig vor, und ich hatte schreckliche Angst, Sie würden den Revolver wieder in die Hand nehmen.« Ich kniff die Augen zu, die Tränen liefen mir über die Wangen, und ich versetzte mich zurück in das Zimmer, in dem ich vor über einem Monat gewesen war. »›Sehr gut, Simon‹«, wiederholte ich. »›Die Polizisten sind unterwegs und werden Sie nach Hause bringen, zu Ihrer Frau und Ihren Mädchen.‹ Und dann hat sich Ihr Gesicht auf einmal verändert. Wegen dem, was ich gesagt habe, richtig?
Nach Hause
habe ich gesagt, gehen Sie
nach Hause
, dabei haben Sie mir doch die ganze Zeit erklärt, dass Sie in dieser Wohnung zu Hause sind, in der Wohnung, die Sie verlassen mussten. Ich hab Ihnen zugehört, Simon, ich habe Sie genau verstanden. Aber am Schluss bin ich … einfach ins Stolpern geraten. Ich hab einen Fehler gemacht, und das tut mir sehr leid.«
Am liebsten hätte ich seine Hand genommen, hatte aber das Gefühl, das wäre übergriffig. Ich gehörte nicht zu seinen Freunden, seiner Familie, ich war nur die Frau, die es nicht geschafft hatte, ihn vor sich selbst zu retten.
»Es wäre nicht richtig und außerdem total egoistisch von mir anzudeuten, dass es für das, was Sie getan haben, einen Grund gab und dass daraus irgendetwas Gutes erwachsen könnte, aber als ich bei Ihnen versagt habe, habe ich so verzweifelt versucht, den gleichen Fehler nicht noch einmal zu machen, dass ich meinen Einsatz immens gesteigert und viel, viel mehr getan habe, um einem anderen Mann das Leben zu retten. Und wenn ich bei Ihnen nicht versagt hätte, wäre ich vielleicht bei ihm nicht erfolgreich gewesen. Ich möchte nur, dass Sie das wissen.« Ich dachte an Adam, die Nacht, die wir zusammen verbracht hatten, und lächelte.
Eine Weile blieb ich schweigend bei Simon sitzen. Dann begann auf einmal eine Maschine neben dem Bett laut zu piepen. Erst war ich starr vor Schreck, dann sprang ich endlich auf, und im gleichen Moment kam Angela ins Zimmer gestürzt.
»Ich hab nur mit ihm geredet«, rief ich panisch. »Was hab ich getan?«
»Gar nichts«, erwiderte Angela, rannte zur Tür, gab einer anderen Schwester eine Reihe rapider Anweisungen und kam dann zu mir zurück. »Sie haben gar nichts getan. Hören Sie auf, sich die Schuld zu geben. Ich bin froh, dass Sie bei ihm waren. Aber jetzt sollten Sie gehen.«
Hektische Betriebsamkeit breitete sich aus, und ich verließ das Zimmer.
In dieser Nacht wurde Simon Conway für tot erklärt.
24 Wie man sich auf ganz einfache Weise in seiner Verzweiflung suhlt
Um halb sechs war ich wieder im Morrison Hotel, erschöpft und völlig ausgepumpt. Ich wollte nur zu Adam ins Bett zurückklettern, seinen warmen, starken Körper spüren, mich geborgen fühlen, meine Batterie von ihm mit Liebe und Freude, Vertrauen und Güte aufladen lassen. Ich rechnete fest damit, dass mein Wunsch sich erfüllen würde, aber als ich in die Suite trat, war er bereits auf den Beinen.
Bei seinem Anblick wurde mir sofort leichter ums Herz, als wäre er eine Art Medizin für mich, und ich lächelte ihn an. Aber dann bemerkte ich seinen Gesichtsausdruck, und mein Lächeln verschwand. Warnglocken klingelten in meinem Kopf. Ich wusste, wie man aussah, wenn man etwas bereute, das hatte ich an jedem Tag meiner Ehe im Spiegel gesehen. Also wappnete ich mich, ging innerlich in Deckung und wartete auf die Attacke. Die Abwehr der Eiskönigin war aktiviert.
»Du hast geweint«, sagte Adam.
Ich warf einen Blick in den Spiegel – und sah ein Häufchen Elend vor mir. Die Klamotten, die ich in aller Eile übergeworfen hatte, passten nicht zusammen, ich hatte mir die Haare nicht gebürstet, mich nicht geschminkt, meine Nase war rot, meine Haut fleckig. Kein anziehender Anblick. Gerade wollte ich anfangen, von Simon zu erzählen, als es begann.
Es begann mit einem Blick, und noch ehe Adam den Mund aufmachen und die Worte aussprechen konnte, wusste ich, was er sagen wollte, und fühlte mich plötzlich wie der letzte Dreck. Ich hatte einen kranken Mann schamlos ausgenutzt, und ich wünschte mir nur noch, dieser Augenblick wäre vorüber, damit ich meine Tasche nehmen und meinen Walk of Shame zurück nach Clontarf antreten konnte. Hatte ich denn gar
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