Die Liebe deines Lebens
einem Puzzle verbracht, und ich hatte Adam dabei zwar ausgefragt, mich aber bemüht, nicht allzu heftig in seine Privatsphäre einzudringen. Dann hatten wir Monopoly gespielt, und ich musste meine Fragerei einstellen und mich konzentrieren, denn sonst hätte Adam mich mit links besiegt. Leider hatte meine Taktik nicht funktioniert, und ich war ziemlich schlechtgelaunt ins Bett gegangen. Natürlich war mir klar, dass solche Aktivitäten Adam nicht retten würden, aber sie halfen mir, mehr über ihn zu erfahren, weil es ihm in einer entspannten Situation leichter fiel, mit mir zu reden. Wenn er gleichzeitig etwas anderes zu tun hatte, konnte er allem Anschein nach besser über seine Probleme nachdenken, als wenn sie ganz allein im Scheinwerferlicht standen.
Als er heute Morgen in der Dusche war, hörte ich ihn weinen und zerbrach mir den Kopf, was ich sonst noch für ihn tun konnte. Eigentlich glaubte ich fest daran, dass die meisten Dinge möglich waren, wenn man sich richtig für etwas engagierte, aber ich war auch realistisch: Das galt für die meisten, aber eben nicht für
alle
Dinge. Und in Adams Fall konnte ich es mir nicht leisten, allzu viel zu riskieren, denn wenn es schiefging, war das Ergebnis womöglich endgültig.
Dann stand ich am Altar und legte mein Manuskript auf den Leseständer. Amelia hatte mich darum gebeten, einen Text auszusuchen, der mir für den Anlass angemessen erschien. Es würde nicht leicht werden, ihn vorzulesen, denn er hatte eine ganz besondere Bedeutung für mich. Ich hatte ihn noch nie laut vorgelesen, sondern immer nur für mich selbst, und auch das fast nie, ohne feuchte Augen zu bekommen, aber ich konnte mir keine bessere Gelegenheit dafür vorstellen als diese. Also lächelte ich Amelia noch einmal zu, schaute über ihre Schulter erst zu meiner Familie und dann zu Adam, holte tief Luft und richtete meine Worte an ihn.
»Wo wären wir ohne das Morgen? Wir hätten stattdessen das Heute. Und wenn es so wäre, wenn ich mit dir das Heute hätte, dann würde ich hoffen, dass heute der längste Tag wäre. Ich würde ihn mit dir füllen und alles tun, was ich jemals geliebt habe. Ich würde lachen, ich würde reden, ich würde zuhören und lernen, und ich würde lieben, lieben, lieben. Ich würde aus jedem Tag ein Heute machen und jedes Heute mit dir verbringen, und niemals würde ich mir Sorgen um morgen machen, um den Tag, an dem ich nicht bei dir wäre. Und wenn dieses gefürchtete Morgen für uns kommt, dann sollst du wissen, dass ich dich nicht verlassen und auch nicht zurückgelassen werden wollte – und dass die Augenblicke mit dir die schönsten Augenblicke meines Lebens waren.«
»Hast du das geschrieben?«, fragte Adam, als wir nach der Beerdigung noch bei der kleinen Feier zusammensaßen, vor uns milchigen Tee und Schinkensandwiches. Keiner von uns aß etwas.
»Nein.«
Wir schwiegen lange. Ich wartete darauf, dass er mich fragte, wer den Text geschrieben hatte, und bereitete meine Antwort vor, aber zu meiner Überraschung fragte er nicht weiter.
»Ich glaube, ich muss meinen Vater besuchen«, sagte Adam plötzlich.
Das reichte mir.
Adams Vater lag im St. Vincent’s Private Hospital. Vor einem Monat war er wegen eines kleinen operativen Eingriffs an der Leber aufgenommen worden, und er war noch immer dort. Mr Basil war der unfreundlichste Mensch, den man sich vorstellen konnte, und obwohl das Leben in der Klinik ohne ihn für alle Beteiligten sicher wesentlich leichter gewesen wäre, wurden weiterhin die besten Methoden der modernen Medizin eingesetzt, um ihn am Leben zu erhalten. Niemand betrat freiwillig sein Zimmer, denn jeder hatte Angst, beschimpft zu werden, und die Krankenschwestern mussten obendrein noch befürchten, dass er sie betatschte – jedenfalls die jungen knackigen, wie er es auszudrücken beliebte. Bei den älteren, nicht mehr knackigen Schwestern griff er zu anderen Methoden und hatte unter anderem einmal eine von ihnen mit seinem Urinbeutel beworfen, weil sie einen Anruf unterbrochen hatte. Nur eine Handvoll ausgewählter Fachkräfte durften ihn versorgen – man hatte ihn in dem Glauben gelassen, dass er tatsächlich eine Wahl hatte –, und es mussten ausschließlich Frauen sein. Er glaubte nämlich, dass Frauen ihre Arbeit besser machten, zum einen, weil sie die Fähigkeit zum Multitasking besaßen und von Natur aus kühl und nüchtern waren, aber vor allem, weil sie allgemein immer noch als das schwache Geschlecht
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