Die Liebe deines Lebens
verrückt«, sagte Amelia mit leiser Stimme zu mir, als wir zum Auto zurückgingen. »Aber ich muss mal raus aus Dublin, weg von der Buchhandlung. Einfach weg. Wieder einen klaren Kopf kriegen. Mein ganzes Leben ist aus den Fugen geraten, ich kann gar nicht richtig denken.«
»Und meinst du, die Reise wird dir helfen, klarer zu sehen?«
»Nein«, antwortete sie und lachte kurz. »Aber wenigstens hab ich dann ein bisschen Ablenkung, während ich durcheinander bin.« Sie lächelte. »Bobby ist echt ein interessanter Typ.«
Ich hörte ihr nur mit halbem Ohr zu, denn ich versuchte gleichzeitig, die beiden Männer zu belauschen, die hinter uns hergingen.
»Wie hast du Christine eigentlich kennengelernt?«, fragte Bobby gerade.
»Auf einer Brücke.«
»Auf welcher denn?«
»Auf der Ha’penny Bridge.«
»Das ist ja romantisch«, rief Bobby und schlug Adam auf die Schulter, als wären sie seit Urzeiten beste Freunde. Adam stopfte die Hände noch ein Stück tiefer in die Hosentaschen und wartete, dass ich mein Gespräch mit Amelia beendete, damit wir endlich gehen konnten.
Ich wandte mich wieder Amelia zu. »Danke, dass du so viel Geduld mit mir hast«, sagte sie.
»Dafür sind Freunde doch da. Aber darf ich dir eine Frage stellen? Als wir in dem Lagerraum waren, da bist du ganz zielstrebig auf die Kiste aus deinem Geburtsjahr zugegangen. Du hattest einen Verdacht, oder nicht?«
»Ich hab mir jedenfalls schon immer Gedanken darüber gemacht. Manchmal hab ich Mum und Dad Fragen über die Schwangerschaft gestellt, wo ich genau geboren bin, und ihre Antworten waren immer irgendwie zu vage. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass sie nicht darüber reden wollten. Und weil ich nicht wollte, dass sie sich unbehaglich fühlen, habe ich schließlich aufgehört zu fragen und die Suche nach den Antworten aufgegeben. Ich hatte keine Ahnung, was sie vor mir verheimlichen. Ich wusste, dass Mum vor mir viermal schwanger war und alle Babys verloren hat. Sie hat immer gesagt, dass sie mich bekommen hat, war ein Segen Gottes, und ich dachte, dass sie deshalb so besorgt um mich war, weil sie Angst hatte, mich auch zu verlieren.«
»Deine Eltern haben dich so sehr geliebt.«
»Das habe ich auch immer gespürt.« Amelia lächelte. »Deshalb ist es auch okay. Es geht mir nicht so sehr darum, wieder mit meinen leiblichen Eltern zusammenzukommen, ich möchte nur … ich möchte es einfach wissen. Falls sie nichts mit mir zu tun haben wollen, kann ich dann einfach wieder gehen. Ich weiß ja auch gar nicht, ob ich etwas mit ihnen zu tun haben will – ich möchte hauptsächlich die Geschichte erfahren. Ich finde, das hab ich verdient.«
»Unbedingt«, bestätigte ich nachdenklich. »Du hast recht, weißt du. Mir würde es wahrscheinlich ähnlich gehen. Wenn meine Mum irgendwo da draußen wäre und ich die Chance hätte, sie zu finden, dann würde ich auch nichts unversucht lassen, um sie zurückzubekommen.«
»Das weiß ich«, sagte Amelia, warf Adam einen beunruhigten Blick zu, überdeckte ihre Sorge aber viel zu schnell mit einem viel zu strahlenden Lächeln.
Ich schluckte.
»Das ist doch lächerlich«, sagte Adam von der Tür aus, wo er mir beim Packen zusah.
Den ganzen Tag schon erschien ihm alles lächerlich. Sinnlos, reine Zeitverschwendung – lächerlich.
»Was findest du lächerlich?«, fragte ich und versuchte, mich nicht ganz so erschöpft anzuhören, wie ich mich fühlte.
»Nach Tipperary zu fahren.«
»Wie willst du die Sache mit der Übernahme der Firma regeln, ohne in die Firma zu gehen?«
»Da gibt es nichts zu regeln, es steht im Testament meines Großvaters. Daran kann niemand etwas ändern. Dieser Ausflug ist die totale Zeitverschwendung.« Seine Stimme klang hart.
Ich wusste zwar auch nicht genau, wie wir das Problem lösen konnten, aber wo ein Wille war, da war auch ein Weg, und Adam musste sich früher oder später seiner Verantwortung stellen. Aber jetzt war er gereizt, nervös und schrecklich schlechtgelaunt.
Er verließ das Zimmer. »Bin ich heute also zum letzten Mal hier?«, fragte er aus dem Wohnzimmer.
Da begriff ich endlich. Er hatte seit frühester Kindheit ein Problem damit, wenn Leute ihn verließen, und auch, wenn er selbst wegging. Eilig folgte ich ihm ins Wohnzimmer.
»Du machst den nächsten Schritt, Adam. Das ist gut.«
Er nickte, aber es war ihm anzusehen, dass er mir kein Wort glaubte.
»Im Moment fühle ich mich …«, sagte ich ihm vor.
Er seufzte. »Im Moment fühle ich
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