Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
Vom Netzwerk:
unser Gespräch bezieht, ohne aus den Augen zu verlieren, was ich gern wissen möchte.
    »Du wolltest es also lesen, aber …?«
    Aber er hat mein Heft nicht gefunden.
    »Ich hab dich sogar ein paar Tage lang beobachtet, um herauszufinden, wo du es versteckst. Ich sah dich mal mit und mal ohne Heft, aber ich bin nie hinter das Versteck gekommen. Es hat mich verrückt gemacht. Ich sagte mir: Wenn sie es so sorgfältig versteckt, dann steht etwas drin, das ich nicht lesen darf. Ich war wie besessen von dieser Idee. Und dann haben sie mich zu den Dreharbeiten nach Paris zurückbeordert. Zum Glück! Damit hatte mein albernes und indiskretes Vorhaben ein Ende. Bis heute habe ich es nicht gewagt, mit dir darüber zu sprechen. Aber ich hatte es vor. Ehrlich! Nach den Ferien habe ich dich dann nicht mehr mit deinem Heft gesehen. Aber ich habe mich nicht getraut, dich darauf anzusprechen …«
    Ich lache und küsse ihn. Ein sympathisches Geständnis.
    »Warum wolltest du nicht mit mir darüber reden?«
    Er sieht mich erstaunt an. »Meinst du nicht, der Zeitpunkt wäre total daneben gewesen? Ich bin sicher, du hättest es sehr schlecht aufgenommen.«
    »Ja, wahrscheinlich …«
    Ich fühle mich plötzlich so beschwingt. Eine leise Stimme flüstert mir zu, dass es nur daran liegt, dass ich noch nichts über den Inhalt dieses magischen Heftes weiß. Egal, seine Existenz ist mir Anlass zur Freude genug. Wo habe ich das verflixte Ding bloß versteckt?

    Als Pablo später in seinem Zimmer arbeitet, suche ich trotzdem nicht nach dem geheimnisvollen Heft. Ich binmir sicher, dass es nicht hier ist. Bestimmt ist es in unserem Häuschen im Süden. Inzwischen habe ich herausgefunden, von welchem Dorf Pablo sprach. In unseren Unterlagen habe ich Telefonrechnungen und die Adresse entdeckt. Und als ich noch einmal zwei oder drei Fotoalben durchsehe, stoße ich auf Fotos, die bei Uzès aufgenommen worden sein könnten. Das besagte Häuschen ist bezaubernd, umgeben von einem Garten, und den Bildern zufolge haben wir dort eine Menge Weihnachtsfeste gefeiert. Ich will dorthin, allein oder mit den Kindern, Hauptsache bald. Wann sind denn wohl Sommerferien?
    Das ist übrigens eine der überraschendsten Seiten meines Mutterdaseins: Es wird zu einem Großteil von außen getaktet und scheint hauptsächlich aus Terminen und Kalendern zu bestehen. Was beides nicht zu meinem Vokabular gehörte, damals, vor einem Monat. Ich kann mich nicht einmal entsinnen, in meiner eigenen Schulzeit so verplant gewesen zu sein. Aber vielleicht übersieht man das als Kind und Jugendlicher, wenn es einen Organisator gibt, der sich darum kümmert. Wie auch immer, ich hatte keine Wahl in den letzten Wochen: Ich musste mich schnell an freie oder nicht freie Samstage, an diese oder jene zu planende Gegebenheit gewöhnen. Und wo, bitte schön, bleibt noch Raum für den Zufall, wenn jeder Tag und jede Stunde bis ins Letzte festgelegt sind? Manchmal ist mir völlig schleierhaft, wie ich zusätzlich noch arbeiten konnte.
    »Was willst du in den Ferien machen?«
    Ich schrecke auf. Ich habe Pablo nicht hereinkommen hören. »Du hast mich noch gar nicht gefragt …«
    Ach so, üblicherweise stelle ich also diese Frage, und der Herr des Hauses bedenkt die Sache wohlwollend. Rührend. Na ja, lassen wir das beiseite. Natürlich habe ich große Lust, in unser berühmtes Häuschen zu fahren, aber woher soll ich wissen, ob das nicht ein großer Fauxpas wäre? Vielleicht habe ich ja im letzten Jahr gesagt, dass ich nie wiedereinen Fuß hineinsetzen wolle? Pablo schweigt oder lauscht vielmehr meinen Gedanken.
    »Hast du Lust, ein bisschen Zeit in unserem Häuschen zu verbringen?«
    »Ja.«
    »Was hältst du davon, wenn wir zu Beginn der Ferien hinfahren?«
    »Gute Idee.« Ich muss schlucken.
    »Anstatt es zwei Monate zu vermieten, verbringen wir die ersten beiden Juliwochen dort, und wenn du magst, können wir danach noch woanders hinfahren. Ich muss erst am 20. August wieder in Paris sein. Alles in Ordnung?«
    »Mir ist ein bisschen kalt …«
    »Du bist zu dünn angezogen, Liebling. Du frierst leichter als früher. Soll ich uns etwas Warmes zu essen machen?«
    Ich habe immer noch Angst, mit Pablo allein zu sein. Ich bin erfüllt von dem Wunsch, die Geschichte, die eine andere geschrieben hat, fortzuführen und mir zu eigen zu machen, aber permanent nagt die Frage an mir: Was habe ich hier zu suchen? Ist das mein Platz? Eine Frage, die ich mir, wie mir gerade auffällt, nie stelle, wenn

Weitere Kostenlose Bücher