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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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lasse mir so einfach wegnehmen, was der Herzog mir anvertraut hat? Mein Leben habe ich ihm in Treue geweiht, allein ihm bin ich verpflichtet. Nur über meine Leiche breche ich diesen Schwur.«
    Auf einmal war Dora klar, welche Papiere eben aus ihrem Felleisen gerutscht waren. Mit keinem einzigen Wort ging Urban darauf ein. Für den Herzog war er bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Und nicht nur seines. Trotz der frühsommerlichen Wärme auf der Wiese wurde ihr kalt. Eine eisige Hand umklammerte ihr Herz. Eindringlich sah sie Urban an. Ohne dass sie es wollte, schob sich ein anderes, bislang hartnäckig verdrängtes Antlitz dazwischen. Die grünbraunen Augen strahlten in diesem Moment weitaus mehr Herzenswärme aus als Urbans blassblaue. Plötzlich war ihr, als wäre sie die letzten Stunden, ja, Tage und Wochen einer bitteren Täuschung aufgesessen. Der Rausch des Frühlingsmorgens war endgültig verflogen.
    22
    A ls Mathilda die Pforte hinter sich ins Schloss fallen hörte, atmete sie auf. Laut knirschte der Riegel, den der Pförtner vorschob, um das Innere des Hospitals mit den Kranken gegen das Äußere mit den Gesunden abzuschotten. Wieder einmal wusste sie, warum sie Hospitäler aus tiefster Seele hasste: Die Luft in dem riesigen Krankensaal war zum Schneiden dick, dazu das Gejammere und Gestöhne hinter den unzähligen dünnen Vorhängen, der leere Blick der Siechen auf den Fluren, das verzweifelte Augenrollen der Schwestern und das gelangweilte Antlitz der Ärzte, ganz zu schweigen von dem wilden Geschrei der Verrückten im angrenzenden Tollhaus. Nein, Krankenpflege war nie und nimmer etwas, wofür sie sich eignete. Zum Glück war sie diesem Schicksal gerade noch rechtzeitig entronnen, als sie sich vor zwölf Jahren gegen den Willen der Eltern auf die Spuren von Vetter Urban nach Königsberg begeben hatte. Auch wenn ihre Flucht letztlich den endgültigen Bruch mit der Familie bedeutet hatte, bereute sie sie bis zum jetzigen Tag nicht. Dabei hatte Urban ihr, anders als zunächst erhofft, nie auch nur einen Funken Hoffnung auf eine Heirat gemacht. So hatte sie ihr Glück schließlich darin finden müssen, mit dem Geliebten wenigstens unter einem Dach leben und tagaus, tagein für ihn sorgen zu dürfen. Als er vor zwei Jahren überraschend Dora geheiratet hatte, war ihre traute Zweisamkeit kaum erschüttert worden. Zu rasch hatte Mathilda durchschaut, dass es sich dabei lediglich um den verzweifelten Versuch des Vetters handelte, das Feuer der verlorenen Jugendliebe noch einmal auflodern zu lassen, bevor es endgültig erlosch. Eines Tages würde Dora das begreifen. Schon jetzt freute sich Mathilda auf diesen Moment, wusste sie doch nur zu gut, dass bis dahin auch bei der Base die Glut der Liebe erkaltet war.
    Zunächst aber freute sie sich über eine andere Gelegenheit, Dora mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen gegenüberzutreten. Sie hatte Doras Abwesenheit genutzt und Renata in die Obhut der ehemaligen Nonnen im Löbenichter Hospital übergeben. Viel hätte nicht gefehlt, und die wirre Magd hätte weitaus mehr Pflege als nur den abgeschiedenen Platz auf dem Dachboden und den Zuspruch der leidigen Katze gebraucht. Die aber konnte, geschweige denn wollte, ihr weder Mathilda noch sonst wer im Haus am Mühlenberg geben. Da befand sich die arme Seele im Heilig-Geist-Hospital doch in weitaus besseren Händen. Seltsam, dass alle Spitäler dem Heiligen Geist anheimgegeben waren. Verwundert schüttelte Mathilda den Kopf. Als vermochte sein Schutz ihnen besonders Gutes zu tun. Dabei bekam ein wirrer Geist wie der Renatas gar nichts mehr davon mit. Seit der Kneiphofer Feuernacht im März war die Magd abgrundtief in der Hölle ewig währender Flammenmeere versunken.
    Mathilda lachte auf. Im selben Augenblick erschrak sie, wie schrill ihr Gelächter in dem modrigen Gewölbe des langgezogenen Tordurchgangs widerhallte. Das feuchte Gemäuer atmete Kälte aus, eine Anstrengung, die den rohen Backsteinen viel Mühe abverlangte. Schweißperlen gleich rannen Wassertropfen über die Mauerritze, plumpsten träge in die Tiefe, um schließlich unter lautem Platschen auf der Erde zu zerplatzen. Fröstelnd vergrub Mathilda ihre steifen Finger in der Heuke, sah den winzigen Nebelwolken nach, in die sich ihr Atem verwandelte, sobald er ihre warme Mundhöhle verlassen hatte. In diesem Mai machte Bonifatius, der letzte der drei Eisheiligen, seinem Namen alle Ehre. Hoffentlich fühlte sich die Kalte Sophie nicht

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