Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Schwindel im Kopf an. Sie streckte die Hand zur Seite, stützte sich auf einem der Fässer ab. Ein Ziehen im Unterleib bestätigte ihre Vermutung, was die Ursache für die Übelkeit sein mochte. Statt Freude über die neue Schwangerschaft beschlich sie ein leichtes Entsetzen. Gerade hatte sie den kleinen Rudolph von der Brust entwöhnt und erfreute sich der wiedergewonnenen Freiheit. Als Mutter eines eineinhalbjährigen Sohnes wusste sie, was in den nächsten Monaten auf sie zukam. Ständiges Unwohlsein, gepaart mit einem stetig unförmiger werdenden, zum harten Zupacken im Sudhaus unfähigen Leib, aber konnte sie gerade am allerwenigsten gebrauchen. Wenn sie Pech hatte, beschnitt das nicht allein ihre Freiheit, sondern machte gar ihre sämtlichen Pläne zunichte. Sie musste dafür sorgen, Jörg von ihrem weiteren Vorhaben zu überzeugen, damit er unter ihrer Anweisung für die Umsetzung sorgte. Hoffentlich begriff er schnell, um was es dabei ging. »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben«, erklärte sie angestrengt. »Wir verkaufen das stärker gebraute Sommerbier schließlich erst seit wenigen Tagen. Zwar sind die ersten Rückmeldungen sehr erfreulich, doch bisher wissen wir weder, ob die Vorräte wirklich über den Sommer reichen, noch, ob es sich tatsächlich bis Anfang Oktober in unserem Keller hält. Vergiss nicht, es ist das erste Jahr, in dem wir diese Vorgehensweise versuchen. Müssten wir am Ende verdorbenes Bier wegschütten, käme das so manchem hier im Kneiphof sehr zupass. Andererseits, sollte unser bisheriger Erfolg anhalten, so werden die anderen Brauer früher oder später unser Bier madig zu machen versuchen. Bierbeschauer Hummel hat mir schon von einigen Beschwerden beim Rat erzählt. Manch einer ärgert sich eben sehr, dass uns gleich für die nächsten zwei Jahre erlaubt wurde, beim Brauen nach der Nürnberger Ordnung vorzugehen und die Biermuster umzusetzen, die hierzulande keiner kennt, geschweige denn anwenden mag.«
»Es sind immer dieselben, die dem Nachbarn nicht die Butter aufs Brot gönnen. Solche Miesepeter gibt es leider in jedem Gewerk. Das kenne ich auch aus der Baukunst. Gerade gegenüber Neuerungen sind die meisten einfach misstrauisch. Oder hast du etwa schon vergessen, was wir in den Aufzeichnungen unserer Ahnfrau Agnes gelesen haben?«
Sie nickte zustimmend. Die abendlichen Stunden, in denen sie beide gemeinsam das fast einhundert Jahre alte Buch der Agnes Selege über die Braukunst studierten, waren ihr heilig. Sie ergänzten auf wundersame Weise das, was sie aus den Aufzeichnungen der Ordensbrüder wie auch aus ihrer Nürnberger Heimat gelernt hatte. Aus der Handschrift sollte sie Jörg demnächst ebenfalls vorlesen. Es würde ihn begeistern. Von neuem überkam sie das flaue Gefühl. Scham stieg in ihr auf. Allzu oft endeten die gemeinsamen Lesestunden in sehr innigen Umarmungen. Wie zur Bestätigung zuckte ein greller Schmerz durch ihren Unterleib, bestätigte ihr abermals, wie fruchtbar die vertrauten nächtlichen Studien mit ihrem Gemahl waren.
Jörg bemerkte nichts von ihren Regungen, steigerte sich stattdessen immer mehr in seine Ausführungen hinein. Dabei weiteten sich seine Augen, die sonst eher blassen Wangen gewannen an Farbe. Er reckte die Schultern und wirkte auf einmal ungewöhnlich stattlich. »Wie oft berichtet Agnes vom Unmut der alteingesessenen Königsberger, die es einfach nicht hinnehmen wollten, dass sie ihr Bier anders braute, mehr Hopfen hineingab, das Malz gründlicher darrte und die Maische besser läuterte als die anderen. Ein so sorgsam gebrautes Bier musste einfach besser schmecken. Dabei hat sie den anderen Brauern weder absichtlich ins Handwerk gepfuscht oder sie bei den Bierbeschauern angeschwärzt, noch wollte sie sie von ihrer Art zu brauen überzeugen oder gar mehr Brau verkaufen, als ihr zustand. Sie hat nicht einmal von anderen Brauern zusätzliches Brau aufgekauft, sondern sich ganz auf das ihr zustehende beschränkt. So verfahren wir Seleges bis heute. Deshalb wirst du sehen, sobald die anderen Brauer merken, dass wir ihnen nicht in die Quere kommen, hört das böse Geschwätz wieder auf.«
»Ein bisschen wollte ich den anderen Brauern schon ins Handwerk pfuschen«, widersprach Gret mit einem Anflug von Enttäuschung. Die Übelkeit war verflogen, der Wunsch, sofort mit ihren Plänen loszulegen, verschaffte ihr neue Kraft. »Unser Nürnberger Biermuster ist einfach das bessere, glaub mir. Es zeigt sich ja schon daran, wie sinnvoll
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