Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
abgestimmte Samtgoller mit den schmalen grünen Längsstreifen keinerlei überflüssigen Zierat. Auf der bevorstehenden Reise wollte sie übermäßigen Putz vermeiden. Wie vernünftig sie schon wieder war! Genau das Gegenteil ihrer Schwägerin Gret. Dabei sahen sie einander so ähnlich, dass sie aus der Ferne sogar als Zwillingsschwestern durchgingen.
    Abermals schaute sie in den Spiegel. Auf einmal war ihr, als starrte sie in Grets blassblaue Augen. Darüber schob sich Urbans Gesicht. Nein! Den Gedanken zu Ende zu denken tat weh. Sie versuchte sich auf Erfreulicheres zu besinnen. Grets Wangen hatten letztens vor Eifer geglüht, ihre ganze Erscheinung schien vor freudiger Erwartung zu bersten. Sie musste ein weiteres Mal guter Hoffnung sein. Wieder spürte Dora einen Stich in der Brust. Dabei gönnte sie Gret und dem Bruder das Glück von ganzem Herzen. Eine Träne verfing sich in ihren Wimpern.
    Unwillkürlich tastete sie nach der Phiole mit dem Schafgarbenöl. Wenn die Nacht dem Tag ihren Platz überließ, sollte es seine beste Wirkung entfalten, hatte Renata erklärt. Vorsichtig träufelte sie von dem blauen Öl in die Hand, verfolgte, wie es seinen Weg in den Linien fand. Statt einer Frauenfigur meinte sie das Bild von jemand anderem darin zu erkennen. Ein Zittern erfasste ihren Leib. Sie verschloss die Hand zu einer Faust, presste sie gegen den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Ihr Plan mit der Reise war gewagt, das wusste sie auch so. Was Veit wohl dachte, wenn sie plötzlich vor ihm stand? Hoffentlich kam es überhaupt zu einem Treffen in Krakau. Sie wollte ihn überraschen. Jörg hatte ihr hoch und heilig versprechen müssen, in seinen Briefen nichts von ihrer Ankunft zu verraten. Die Boten ritten schneller, als die Wagen fuhren. Ein Brief würde vor ihr in der polnischen Königsstadt ankommen. Zu groß aber war ihre Angst, dass Veit sie nach allem, was ihm ihretwegen in Königsberg widerfahren war, nicht mehr wiedersehen wollte.
    »Dora, wo bleibt Ihr?« Mathildas Stimme klang ungeduldig aus der Diele herauf. Hastig verstaute Dora die Phiole mit dem Öl wieder in ihrem Lederbeutel und vergewisserte sich, alles Wichtige an ihrem Gürtel zu haben – Geldbeutel, Besteckkasten und Nadeldose. Den Bund mit den Schlüsseln würde sie gleich der Base übergeben. Sie steckte den Goller über der flachen Brust mit einer schlichten Fibel zusammen, griff sich die auf dem Bett bereitliegende Schaube, pustete das Talglicht aus und eilte aus dem Schlafgemach. Auf dem Flur empfing sie Dunkelheit. Nur ein schwacher Lichtstrahl fiel aus der Küche herein, ein sicheres Zeichen, dass das Herdfeuer bereits ordentlich geschürt war. Dora eilte zur Treppe. Von unten drangen aufgeregte Stimmen nach oben. Götz Steinhaus musste bereits eingetroffen und von Mathilda empfangen worden sein. Der Gedanke, ihren Reisegefährten warten zu lassen, missfiel ihr. Steinhaus sollte sie nicht für unzuverlässig halten.
    Gerade wollte sie nach unten laufen, da kam Elßlin mit der kleinen Johanna auf dem Arm aus dem Dachgeschoss herunter. Nach dem Aufstehen hatte sie das Kind zu sich in ihre Kammer genommen, um Dora Zeit zu geben, sich in Ruhe reisefertig zu machen. »Ma-ma!«, rief Johanna in langgezogenen Silben und streckte die kurzen Arme zur Seite. Ihre kurzen Beinchen strampelten vor Aufregung gegen Elßlins Leib. Die schmächtige Magd hatte Mühe, sie zu halten. Johanna strahlte über das pausbäckige Gesicht, hatte die blauen Augen weit aufgerissen. Tief gruben sich zwei Grübchen rechts und links des Mundes ein, die kleine Nase besaß einen auffälligen Stupser, das eckige Kinn erinnerte deutlich an Urban.
    Dora kämpfte mit sich. Brachte sie es tatsächlich übers Herz, sich von der Kleinen zu trennen? Mehrere Monate würde sie sie nicht sehen. Noch konnte sie die Reise absagen. Steinhaus würde es verstehen. Höchstwahrscheinlich kam es ihm sogar sehr gelegen. Eine Frau in der Reisegruppe bedeutete immer Unruhe und unnötige Umstände. Außer dem Kneiphofer Kaufmann gehörten zwei weitere Herren, die Fuhrleute für die vier Wagen sowie acht bewaffnete Reiter zur Truppe. Bei Letzteren handelte es sich um ungehobelte, rauhe Burschen, die allein schon aufgrund ihres grimmigen Auftretens Räuber abschrecken sollten. Schließlich war der Weg nach Krakau nicht nur weit, sondern auch äußerst gefährlich. Doras Atem ging schneller, fahrig nestelten ihre Finger am Stoff ihres Kleides. Am liebsten würde sie Johanna packen, in ihre Schaube

Weitere Kostenlose Bücher