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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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passte ihr nicht, als Letzte von diesem Vorhaben zu erfahren. Polyphemus räusperte sich verlegen. Offenbar hatte Mathilda ihm verschwiegen, dass Dora nicht Bescheid wusste. Schon wollte Dora entrüstet auffahren, da kam ihr plötzlich ein neuer Gedanke. Betont freundlich wandte sie sich an die Base. »Das ist eine sehr gute Lösung, meine Liebe. Nach all den Jahren treuer Dienste für meinen Gemahl und mich ist eine Ruhepause für Euch längst überfällig. Um Johanna wird sich Elßlin kümmern, Renata übernimmt den Haushalt. Wie Ihr wisst, kann sie kräftig anpacken und scheut keinerlei Arbeit. Somit bleibt für Euch ausreichend Gelegenheit, die Gesellschaft der guten Katharina König ausgiebig zu genießen.«
    Wie erwartet stießen ihre Worte bei Mathilda auf deutliches Unbehagen. So hatte sich die Base die Zeit ohne sie nicht vorgestellt. Das aber konnte sie schlecht offen zugeben.
    Mitten in Doras klammheimliche Freude über die gelungene Überrumpelung Mathildas meldete sich Polyphemus zu Wort.
    »Ihr seid eine bewundernswerte Frau, Stöckelin. Woran Ihr alles denkt, bevor Ihr Euch auf den Weg macht! Fast könnte man meinen, Ihr seid das Reisen ebenso gewohnt wie unsereins, auch wenn Ihr bislang nur selten die Stadt verlassen habt. Eurer Tochter wegen braucht Ihr Euch bestimmt keine Sorgen zu machen. Man sieht auf Anhieb, wie wohl sie sich bei Eurer Magd fühlt. Trotz ihrer Jugend ist sie ihr wie eine zweite Mutter.«
    So gut gemeint die Bemerkung war, versetzte sie Dora doch einen schmerzhaften Stich. Es stimmte, vom Tag der Geburt an waren Elßlin und Johanna ein Herz und eine Seele. Die erst Sechzehnjährige kümmerte sich um das Kind, als wäre es ihr eigenes. Einerseits beruhigte das Dora, andererseits regten sich auch kleinliche Ängste in ihr. Was, wenn Johanna Elßlin am Ende tatsächlich für ihre Mutter ansah, darüber ihre leibliche Mutter vergaß? In ihrem Alter waren drei, vier Monate eine unendlich lange Zeit. Viel konnte währenddessen geschehen. Und viel in Vergessenheit geraten. Gerade Menschen und Gesichter. Doras Unbehagen wuchs. Wieder flammte der Wunsch in ihr auf, das Kind einfach mitzunehmen. Überraschend spürte sie Polyphemus’ Hand auf dem Arm. Voller Verständnis sah er zu ihr auf.
    »Auch wenn ich ein Mann bin und zu meinem großen Bedauern nie Vaterfreuden erlebt habe, so sind mir Eure Befürchtungen vertraut. Doch Ihr müsst tun, was Euer Herz Euch befiehlt, Stöckelin. Damit werdet Ihr niemals fehlliegen. Das Kind wird spüren, dass Ihr auch in der Ferne in Gedanken bei ihm seid. Versagt Ihr Euch allerdings die Reise, wird Eure Seele keinen Frieden finden. Das wiederum wird das Kind ebenfalls spüren und Euch fremd werden. Nur wenn Ihr ganz bei Euch seid, wird auch das Kind immer ganz bei Euch sein.«
    Noch während er die letzten Worte sprach, meinte sie plötzlich wieder den blumig krautigen Geruch des blauen Öls in der Nase zu haben, die blaugeäderten Linien in der Hand verlaufen zu sehen. Johanna schien ihr mit einem Mal leicht wie eine Feder. Sie hauchte dem Kind einen Kuss auf den zarten Haarflaum.
    »Ihr habt recht, Polyphemus. Solange ich tue, was mein Herz mir sagt, muss es gut sein. Das weiß auch Johanna. Entschuldigt mich bitte kurz. Ich muss die Kleine ins Bett bringen und mein Felleisen aus der Werkstatt holen.« Rasch eilte sie nach oben. Elßlin musste sie bereits gehört haben. Sie kam aus der Küche, streifte sich die Finger an der Schürze trocken und streckte ihr die Arme entgegen, um Johanna wieder zu nehmen. »Wenn ich weg bin, wirst du mit ihr in meinem Schlafgemach wohnen«, bestimmte sie und fügte, als Elßlin sie erschrocken ansah, hinzu: »Johanna kennt das Bett und fühlt sich darin am wohlsten. Es wird schon schlimm genug, wenn sie mich vermisst. So kann sie zumindest in ihrer gewohnten Umgebung schlafen.«
    Wie zufällig streifte plötzlich Miranda durch den Flur, rieb den Kopf an ihren Beinen. Es war Dora, als wollte die Katze sie in ihrem Vorhaben ermutigen. Ein letztes Mal drückte sie das fest schlafende Kind an sich, küsste es auf den Kopf und schloss für einen Moment gerührt die Augen. Aus Johannas weichem Haar roch es nach saurer Milch und süßem Honig. Dora wurden die Augen feucht, rasch kniff sie sie zusammen. Sie musste an ihre Mutter Enlin denken. Viel zu früh hatte sie sie verlassen. Ohne Renata hätte sie das nie verwunden. Elßlin würde Johanna eine zweite Renata sein, das hatte der Bibliothekar klug erkannt. Zudem waren da

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