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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wickeln und mit auf die Reise nehmen. Ihr Entschluss stand fest. Sie musste nach Krakau, koste es, was es wolle.
    »Dora, bitte!« Wieder ertönte Mathildas Stimme von unten. Ohne zu zögern, schnappte sich Dora das Kind und eilte die Treppe hinunter. Glücklich schmiegte Johanna ihren Kopf mit den zarten rotblonden Locken in ihre Halsbeuge und steckte den Daumen in den Mund. Ein wundervolles Gefühl überflutete Dora. Sofort war Johanna auf ihren Armen eingeschlafen. Auf dem letzten Treppenabsatz blieb Dora stehen und schaute in die von Wandfackeln hell ausgeleuchtete Diele. Da stand nicht Steinhaus und scharrte ungeduldig wartend mit den Füßen. Stattdessen erblickte sie den herzoglichen Hofbibliothekar Polyphemus. Soweit sie das erkannte, strahlte er über sein gesamtes Gesicht.
    »Gott zum Gruße, Verehrteste«, rief er, riss sich voller Überschwang den schäbigen Hut vom Kopf und verneigte sich. Der Umfang seines Leibes verhinderte eine zu tiefe Verbeugung, was er mit einem erstaunlich flinken Kratzfuß wettmachte. Das abgeschabte Leder seiner Schuhe wie auch die mehrfach geflickte Strumpfhose und der fadenscheinige Stoff seiner Schaube sprangen dabei offen ins Auge. Polyphemus legte keinen Wert darauf, den erbärmlichen Zustand seines Aufzugs zu verschleiern. Stolz richtete er sich wieder auf und schaute zu Dora herauf. Trotz der frühen Morgenstunde glänzten auf seinen bartlosen Wangen bereits Schweißperlen, der einstmals helle Kragen seines Rocks war dunkel von feuchten Flecken. Ebenso klebte das spärliche Haar an Schädel und Nackenwulst auf der fleckigen Haut. »Ihr seht mich hocherfreut, Euch auf Eurer Reise zur Seite stehen zu dürfen.«
    Mathilda zog missbilligend die Augenbrauen hoch. Dora musste schmunzeln. Um das Kind auf ihren Armen nicht zu wecken, stieg sie vorsichtig die letzten Stufen hinunter und ergriff die stark verschwitzte Hand, die der wohlbeleibte Mann ihr entgegenstreckte. Von der Bewegung erwachte Johanna allerdings doch aus ihrem Schlaf, hob das Köpfchen, rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. Wieder spürte Dora den grässlichen Schmerz der bevorstehenden Trennung. Behutsam drückte sie die Kleine gegen ihre Schulter, raunte ihr »scht, scht« ins Ohr und wiegte sie hin und her. Gleich schlief sie wieder ein. Beruhigt wandte sich Dora Polyphemus zu.
    »So begleitet Ihr Steinhaus auf der Reise nach Krakau? Welch angenehme Neuigkeit!«
    »Leider nur bis Thorn.« Der Bibliothekar hielt den breitkrempigen Hut vor die Brust, sortierte mit der freien Hand die zerrupften Federn. Seine grauen Augen musterten den Hutschmuck aufmerksam, bevor er sie ansah. »Ich will über Leipzig bis Frankfurt am Main, um die Messe zu besuchen. Wie Ihr wisst, finden sich dort immer zahlreiche Buchhändler. Ich kann es kaum erwarten, dort einige neue Schätze für den Herzog aufzustöbern. Anschließend werde ich nach Nürnberg reisen. Den nächsten Winter will ich an der Pegnitz verbringen. Der Herzog hat mir wichtige Aufträge erteilt, natürlich alles unter dem Siegel der Verschwiegenheit.« Er legte den wulstigen Zeigefinger mit dem rissigen Nagel und den unzähligen Tintenflecken über seine Lippen.
    »Ein Wunder, wenn Euer Siegel halten würde!«, raunzte Mathilda. Verächtlich zuckte sie mit den Schultern, stemmte die Hände in die Hüften, schaute zu Polyphemus und musterte seinen Aufzug mit einem abschätzigen Blick.
    »Dann seid Ihr also eine sehr lange Zeit fort von hier. Eure Gemahlin wird Euch sehr vermissen«, erwiderte Dora betont freundlich.
    »Dazu wird sie kaum Zeit finden.« Der Bibliothekar verschränkte die Hände auf dem Rücken und wippte vergnügt auf den Fußspitzen. »Im Umfeld der Herzogin hat sie reichlich Abwechslung. Das Nähzimmer auf dem Schloss verschafft ihr jeden Tag zahlreiche neue Aufgaben. Außerdem wird sie Eurer verehrten Schwägerin in Eurem Haus Gesellschaft leisten. Eure entzückende Tochter wird gewiss dafür sorgen, dass ihr dabei nicht langweilig wird.«
    »Eure Frau wird hier am Mühlenberg wohnen?« Erstaunt sah Dora ihn an. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Mathilda versuchte dem Bibliothekar seltsame Zeichen zu geben. Gerade wollte er sich erklären, da kam ihm die Base zuvor und lächelte entschuldigend.
    »Ich habe Katharina König gestern gebeten, die nächsten Monate bei mir zu wohnen. So fühlt sie sich weniger allein, während ihr Gemahl auf großer Fahrt ist, und in unserem großen Haus ist auch mehr Leben.«
    Dora runzelte die Stirn. Es

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