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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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noch Gret sowie natürlich Renata selbst und die kluge Katze Miranda. Sie alle würden verhindern, dass Mathilda zu viel Unheil an dem Kind anrichtete. Hastig überreichte sie der jungen Magd Johanna und rannte rasch die Treppe nach oben, um sich in die Werkstatt zu flüchten.
    Die dreifarbige Katze folgte ihr. Mit einem lauten Miau begehrte sie Einlass, als Dora gerade die Tür hinter sich schließen wollte. Erfreut ließ sie sie ein, genoss das sanfte Herumstreifen des Tieres zwischen ihren Beinen. Als sie sich dem Felleisen auf dem großen Tisch zuwandte, sprang Miranda mit einem Satz aufs Fensterbrett und beobachtete sie aufmerksam aus ihren Bernsteinaugen. Dora meinte ein aufmunterndes Lächeln auf dem rot-weiß-braunen Gesicht zu erkennen. Sie warf einen Blick aus dem Fenster.
    Auf dem Mühlenberg erwachte das Leben. Pferde wurden aus dem benachbarten Marstall nach draußen geführt, ein Gespann rollte über die unebenen Pflastersteine auf den Platz. Die ersten Handwerker und Händler drängten sich ungeduldig auf der hölzernen Brücke zum Schloss. Noch aber hatte Torwächter Steffen Hans nicht das Signal zum Öffnen der Tore geblasen. In den oberen Fenstern der trutzigen Gebäude spiegelte sich das gelbrote Licht der langsam aufsteigenden Sonne. Der Schimmer des frühen Morgenlichts färbte selbst auf den roten Backstein der ehemaligen Ordensritterburg ab und verlieh ihnen einen Hauch von Unwirklichkeit. Von neuem überkam Dora Traurigkeit. Der vertraute Ausblick würde ihr fehlen. Die Entscheidung aber war gefallen. Es gab kein Zurück. Rasch widmete sie sich dem Felleisen.
    Die wichtigsten Dinge waren rasch gepackt, ein kleines Notizheft, das Buchbindermeister Angler ihr eigens gebunden hatte, einige Bogen Papier, zwei Schiefer- sowie drei Wachstafeln in verschiedenen Größen, dazu mehrere Messinggriffel, Federn, ein Tintenfass, Lineal, Zirkel und natürlich das Werkmeisterbuch von Urahn Laurenz Selege. Als sie das abgegriffene Buch in Händen hielt, zögerte sie. Was wollte sie mit all den Sachen? Seit Urbans Tod hatte sie weder gezeichnet noch in dem Werkmeisterbuch gelesen. Ihr verhängnisvolles Versagen hatte ihr jegliche Freude daran genommen. Trotzdem wollte sie gerade Laurenz’ Buch nicht zurücklassen, es nicht einmal Jörg anvertrauen. Sorgfältig steckte sie es hinein, achtete darauf, dass es keinen Schaden nahm. Ihre Finger berührten Urbans Chronik aus Jugendjahren. Die hatte sie am Abend zuvor schon in das Felleisen gelegt. Sie tastete das dünne Heft ab, um sicherzugehen, es in der Enge des Felleisens nicht verknickt zu haben. Wie viel weiter wäre sie mit ihren Überlegungen, wenn sie auch Urbans Aufzeichnungen aus der Königsberger Zeit wiedergefunden hätte. Nicht zum ersten Mal ärgerte sie sich, sie so lange aus dem Sinn verloren zu haben.
    Ein letztes Mal schaute sie in dem großzügigen Raum umher. Abschiedsstimmung hing in der Luft. Regale und Arbeitstisch waren ordentlich aufgeräumt, in einer verschlossenen Truhe lagerten Fischleimpausen und Entwürfe. Nirgendwo lagen halbfertige Arbeiten herum. Dora war zufrieden. Sie verschnürte das Felleisen und ging zur Tür. Wieder folgte Miranda ihr auf den Fuß.
    Im Flur zögerte Dora, ob sie noch ein letztes Mal in Urbans Studierstube hinübergehen sollte. Vergangenen Freitag hatte sie sie zum letzten Mal betreten und kaum wiedererkannt. Urbans Seele war aus dem Raum vertrieben. Mathilda hatte selbst Hand angelegt, das Gemach aufzuräumen. Seither trübte kein Staubkorn auf den Möbeln, Büchern oder Regalen mehr die Erinnerung. Die kostbaren Fensterscheiben waren blank gewienert. Über allem hing ein aufdringlicher Duft nach Seifenlauge und Veilchen. Urban würde angewidert das Gesicht verziehen. Noch während Dora darüber grübelte, ob trotz Mathildas Putzeimer die Möglichkeit bestand, noch einen kleinen Kasten oder einen Winkel übersehen zu haben, in dem sich die Chronik finden mochte, erklangen Schritte auf der Treppe. Sie verrieten Entschlossenheit. Mathilda wollte sie wohl noch einmal unter vier Augen sprechen.
    »Das habt Ihr alles wirklich bestens eingefädelt«, platzte die Base heraus, sobald sie vor ihr stand.
    »Ich habe gar nichts eingefädelt«, erwiderte Dora und sah Mathilda offen an. Nach wie vor war sie ganz in Schwarz gewandet, einzig die helle Haube auf dem dunklen Haar hob sich davon ab. Der Hals wirkte durch den hochgeschlossenen Kragen noch länger, ebenso schien die ganze Gestalt der großgewachsenen Frau dank

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