Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
ausschütteln oder den Hof fegen soll. Sie hat einfach ein Hirn wie ein Spatz. Auch wenn Euer Vater und Euer kleiner Bruder keine allzu großen Ansprüche stellen, sollte der Haushalt ordentlich geführt werden. Es reicht eben nicht, dass ich alle zwei Wochen an den Brautagen das Schlimmste wieder geradebiege. Renata braucht danach nur wenige Stunden, um alles wieder durcheinanderzubringen. Wenn Ihr wollt, spreche ich mit Eurem Gemahl. Mein lieber Vetter wird gewiss die Großzügigkeit besitzen …«
»Renata ist eine treue Seele und die beste Magd der Welt.« Dora hatte genug von dem ewig gleichen Geschimpfe und wandte sich ab. Schwere Schritte waren hinter der Tür zu hören, im nächsten Moment wurde geöffnet. »Jörg!« Ein spitzer Schrei entfuhr ihr. Freudig warf sie sich dem Bruder entgegen und überdeckte sein Gesicht mit Küssen, drückte und liebkoste ihn, bis er sich unter lautem Protest aus ihren Umarmungen befreite.
»Lass mich leben, Schwesterherz!« Auf Armlänge hielt er sie von sich, betrachtete sie ausgiebig. Klopfenden Herzens musterte auch sie ihn. Äußerlich hatte er sich wenig verändert. Auf dem breiten Kinn wie auf den blassen Wangen spross kaum ein Barthaar, dafür war der hellbraune Schopf um seinen Kopf wild durcheinandergewirbelt, als hätte er lange keinen Kamm mehr gesehen. Die Schultern leicht nach vorn geneigt, die Beine in den hellen Strumpfhosen keck eins vors andere gestellt, strahlte seine Haltung größere Zuversicht aus als vor seiner Abreise vor zwei Jahren.
»Seit wann bist du zurück? Warum hast du keine Nachricht geschickt? Was hast du in Nürnberg gemacht? Bei wem hast du in der Werkstatt gesessen? Wen hast du kennengelernt? Ach, du musst mir alles erzählen. Ich platze vor Neugier!« Wild sprudelten die Fragen aus Dora heraus.
»Komm doch erst einmal herein.« Er trat zur Seite, um sie in die Diele zu lassen. Flink schob sich Mathilda ebenfalls hinein, als befürchtete sie, die Tür vor der Nase zugeschlagen zu bekommen. Dora war viel zu sehr mit Jörg beschäftigt, um weiter auf sie zu achten. Auch der Bruder nahm kaum etwas anderes als seine Schwester wahr. Hand in Hand standen sie eine Weile nebeneinander, ließen die Freude über das Wiedersehen schweigend auf sich wirken.
In der weitläufigen Diele herrschte reges Treiben. Die beiden Brauknechte Matas und Szymon hatten nicht nur bereits das Feuer unter der Sudpfanne geschürt, auch der Maischbottich fand sich schon daneben, ebenso die Körbe mit dem Hopfen. Gerade rollte der kräftige Litauer Matas aus dem Hof einen weiteren Bottich herein. Den würde er später für das Läutern der Maische benötigen. Ob der Anstrengung stand auf seinem halbkahlen Schädel der im Feuerschein glitzernde Schweiß. Sein kurzer Nacken staute sich in dicken Wulsten am Kragenrand des Leinenkittels. Wach blickten seine leicht vorstehenden hellen Augen aus dem rot angelaufenen Gesicht umher. »Pass doch auf!«, rief er, als Renata ihm genau vor die Füße lief. Fast wäre sie gegen den Bottich geprallt. Verdutzt schaute sie ihn aus großen grünen Augen an, riss den Mund wie zu einem spitzen Schrei auf, blieb jedoch stumm. »Trampel!«, knurrte Matas und wich ihr schnaubend aus.
Als er Doras ansichtig wurde, lächelte er und stieß im Vorbeigehen seinen Gefährten, den Polen Szymon, in die Seite. Kurz nur blickte der auf und grüßte mit einem Nicken. Er war einen halben Kopf kleiner und höchstens halb so breit wie Matas. Schwarze Locken umrahmten sein Gesicht, am Kinn lief es in einem besonders spitzen, von einigen grauen Fäden durchzogenen Bart aus. Noch ehe Dora seinen Gruß erwidern konnte, beugte er sich wieder über die Körbe und sortierte mit flinken Fingern die Hopfendolden nach Geschlecht. Des besseren Geschmacks wegen wurden ausschließlich weibliche Ähren zum Würzen verwendet. Einmal mehr freute sich Dora an der Selbstverständlichkeit, mit der die beiden Knechte ihre Tätigkeiten verrichteten. Sie kannten sich mit dem Brauen weit besser aus als sie. Schon seit den Zeiten von Doras verstorbener Mutter Enlin verdingten sie sich bei den Seleges als Brauknechte.
»Dora!« Die Magd Renata erblickte sie endlich und trottete trotz ihrer dürren Figur schwerfällig auf sie zu. Wie immer saß die graugewaschene Haube schief auf dem aschblonden Haar, das äußerst spärlich auf dem kleinen Kopf spross. Auf dem spitzen Mausgesicht lag ein freudiges Strahlen, dabei entblößte sie zwischen den vorderen Schneidezähnen eine
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