Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
kannst du nicht auf alte Pläne oder Veits Unterstützung zählen. Glaub mir, ich kenne meinen Vetter. Er ist mit uns nach Königsberg gekommen, weil er hier über kurz oder lang seinen eigenen Weg gehen will. Er weiß genau, was er kann und was hier gefordert ist. Dank deiner Hilfe hat er Zugang zum herzoglichen Kammerrat Urban Stöckel bekommen. Mit den Kunstdienern von Hofbaumeister Römer steht er schon seit Nürnberg in Verbindung. Nur wenige Wochen wird es dauern, bis er direkt mit dem Herzog verhandelt. Veit weiß immer ganz genau, was er will, und das werden auf Dauer keine Handlangerdienste bei mittelmäßigen Baumeistern wie dir und deinem Vater sein.«
»Er ist mein Freund.« Jörgs Einwand klang trotzig. Von neuem dauerte Gret sein Gebaren. Sie hob die Hand, wollte ihm sacht über die Wange streichen, er wich zurück.
»Liebster! Was ist los? In Nürnberg hattest du so viele Pläne. Kaum sind wir hier, willst du nichts mehr davon wissen. Was ist dabei, auch als Mann sein Geld mit Bierbrauen zu verdienen? Gerade wenn man sich so gut darauf versteht wie du, sollte man das tun. Noch dazu hast du ebenso einen guten Sinn fürs Geschäftliche. Hol das Buch, das du mir so oft schon gezeigt hast, und erzähl mir wieder mehr davon.«
»Hast du etwa danach hier oben gesucht? Willst du hinter meinem Rücken darin lesen?« Barsch schob er sie von sich und blitzte sie böse an.
»Aber Jörg! Vertrau mir doch. Ich bin deine Frau. Ich will nur dein Bestes.«
»Dann lass mich in Frieden. Du siehst, wie mein Vater ist. Nie wird er mir zugestehen, dass ich das Bauen lasse und mich allein aufs Bierbrauen beschränke. Halbtot würde er mich prügeln, sollte ich gegen seinen Willen aufbegehren.«
»Also gut«, lenkte sie seufzend ein und wandte sich zum Gehen. Kurz vor der Tür hielt sie noch einmal inne, trat zum Regal und nahm das schwere Buch mit den Abenteuergeschichten und Minneliedern heraus. Den Band wie ein Schutzschild vor der Brust, sah sie noch einmal zu ihrem Gemahl. »Wenn es dir lieber ist, deinen Vater als Ungeheuer darzustellen, hinter dem du feige Schutz vor deinem eigenen Wagemut suchen kannst, dann tue es ruhig weiter.«
»Mir ist ein Ungeheuer als Vater allemal lieber, als gar keinen Vater zu haben so wie du.«
»Was?« Sie schloss die Augen, atmete tief durch, bevor sie gefährlich ruhig erwiderte: »Sag so etwas nie wieder!«
11
W ie all die Tage zuvor fiel es Dora auch an diesem Sonntagabend schwer, in den Schlaf zu finden. Unruhig wälzte sie sich im Bett herum, sagte sich endlos lange Zeilen erst von Gebeten, dann von Gedichten und Liedern auf. Es half nichts. Sie blieb wach. Sie versuchte es mit alten Abzählreimen aus der Kindheit, die die Mutter sie einst gelehrt hatte, wiederholte Rechenaufgaben, sprach das Alphabet rückwärts. Schließlich drehte sie sich zur Wandseite, ließ die Finger über die Falten der Laken wandern, in denen sonst Urban gelegen hatte. Es tat weh, ihn nicht neben sich zu wissen. Am Nachmittag noch hatte sie zarte Hoffnung auf Besserung gehegt. Seite an Seite waren sie zum Markt spaziert, hatten dem Todaustragen des Winters zugeschaut. Lichterloh hatte die Strohpuppe gebrannt, als die Mädchen und Burschen übermütig um sie herumgetanzt waren. Selbst auf Urbans hagerem Gesicht hatte sich ein kleines Schmunzeln gezeigt. Inständig hatte Dora gewünscht, das Verbrennen des Winters würde ihre törichten Traumgespinste ein für alle Mal in Rauch auflösen und Urbans seltsame Laune vertreiben. Veit würde sie fortan weitläufig aus dem Weg gehen, das stand fest. Wenn sie nur wüsste, ob Urban letztens ihr Aufstöhnen tatsächlich verstanden hatte oder doch, wie sie trotz allem noch hoffte, allein aus Furcht vor der eigenen Zügellosigkeit so verstört gewesen war. Mutlos knüllte sie einen Teil des Lakens zu einem Ball, hieb mit der Faust mitten hinein, um ihn wieder zu zerstören.
Urban ging ihrer Gesellschaft weiter aus dem Weg. Gleich nach der Vesper hatte er sich in seine Studierstube im zweiten Geschoss zurückgezogen. Die vierzehnjährige Elßlin hatte er zuvor angewiesen, ihm dort auch für diese Nacht wieder das Bett zu richten. Mathilda hatte das mit einem vielsagenden Augenbrauenrunzeln kommentiert, Dora hatte geschwiegen. Was sollte sie auch dazu sagen, dass ihr Gemahl seit letztem Montag das gemeinsame Lager mied, als fürchtete er, dort dem Leibhaftigen höchstpersönlich zu begegnen? In gewisser Weise hatte er sogar recht, ihm war dort der Teufel
Weitere Kostenlose Bücher