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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Selbst auf dem sicheren Mühlenberg in der Altstadt war das gierige Knurren des hungrigen Feuers erschreckend gut zu hören. Dora presste die Hände auf die Ohren und starrte nach Süden, auf die jüngste und stolzeste der drei Königsberger Städte, die sich vor ihren Augen mehr und mehr in eine glühende Hölle verwandelte. Ein einziger gellender Schrei brandete über die Straßen und Häuser hinweg. Auf einmal gab es kein Halten mehr. Die Menschen ließen Karren wie Wagen stehen und rannten den Mühlenberg hinunter.
    Dora wollte es ihnen nachtun. Erneut spürte sie einen Widerstand. Dieses Mal war es Elßlin, die sich mit beiden Händen verzweifelt an ihr festklammerte. »Bleibt hier! Das ist unser Untergang. Die Heiligen im Himmel haben dafür gesorgt, dass wir im Feuer der Hölle schmoren bis zum Jüngsten Tag. Gott, der Allmächtige, straft uns damit für den Abfall vom rechten Glauben.«
    »Hör auf mit diesem Unsinn!« Voller Wut verpasste Dora ihr eine schallende Maulschelle. Statt wieder zur Vernunft zu kommen, faselte das Mädchen jedoch weiter wie von Sinnen.
    »Heiliger Florian! Hilf uns in der großen Stunde unserer Not. Sechs Kerzen aus reinstem Bienenwachs werde ich dir spenden und morgens und abends dreimal das Ave-Maria beten, wenn du uns jetzt nicht vergisst.«
    »Sei endlich still! Hier in der Altstadt passiert nichts. Drüben im Kneiphof tobt die Hölle. Für die Menschen dort solltest du beten. Doch vergiss deine Heiligen. Die werden nichts für dich tun. Zu Gott allein musst du beten. Nur er kann uns helfen.«
    Noch während sie das sagte, spürte sie die Leere dieser Worte. Was gäbe sie darum, wenn sie wüsste, ob das Anzünden von echten Bienenwachskerzen wirklich helfen könnte, die Brüder und den Vater vor dem Schlimmsten zu bewahren? Bis an ihr Lebensende würde sie Kerzen stiften und endlose Gebete sprechen. Als sie von Elßlin abließ, sank das Mädchen winselnd zu Boden.
    »Was ist mit Euch?« Plötzlich stand Mathilda in der Tür. Den vom Feuer grell erleuchteten Nachthimmel im Rücken, wirkte sie noch ehrfurchteinflößender als bei Tageslicht. »Geht nach oben und lasst uns für die armen Seelen im Kneiphof beten. Gott soll ihnen gnädig sein und sie vor dem Schlimmsten bewahren.« Wie Kinder scheuchte Mathilda sie ins erste Geschoss. Oben angekommen, schickte sie das Mädchen in die Küche, drängte Dora in die vom Flammenschein gespenstisch beleuchtete Wohnstube, führte sie zu einem der Stühle am Tisch. »Ich hole eine Decke und bereite Euch ein warmes Bier. Das wird Euch beruhigen.« Schon war sie wieder zur Tür hinaus. Das eifrige Klappern von Geschirr verriet, dass sie Elßlin in der schräg gegenüberliegenden Küche ebenfalls mit etwas Warmem versorgte. Einmal ertönte ein klatschendes Geräusch, das auf eine Maulschelle schließen ließ, die sie dem Mädchen verpasste. Daraufhin verstummte das Wehklagen der Vierzehnjährigen schlagartig. »Warum nicht gleich«, stellte Mathilda trocken fest.
    Das Feuer im Kneiphof verwandelte auch den Altstädter Nachthimmel. Unheilvolle Schatten tanzten über die Holzdecke der Wohnstube und die getäfelten Wände ringsum. Absonderliche Wesen lösten sich aus dem Wandteppich an der Stirnseite, erschreckten Dora mit ihren wüsten Zuckungen. Es hätte sie kaum gewundert, wenn der Löwe von dem Hirschen abgelassen und sich brüllend auf sie gestürzt hätte. Brandgeruch stieg ihr in die Nase, dabei waren sämtliche Fenster fest verschlossen. Wenigstens ebbte der Lärm auf der Gasse langsam ab. Vermutlich waren die, die zu helfen bereit waren, inzwischen durch die engen Stadttore an den beiden Pregelbrücken in den Kneiphof gelangt. Alle anderen hatten sich ähnlich ängstlich wie Dora in ihre Häuser geflüchtet und aufs Bangen und Beten verlegt.
    Sie setzte zum Vaterunser an, brach allerdings schon nach »Dein Wille geschehe« wieder ab. Ob ein solches Unglück wirklich von Gott gewollt war? Urban wüsste es ihr zu sagen. Wo er wohl gerade steckte? Mit Löscheimer und Feuerschaufel bewaffnet konnte sie sich ihn schwerlich vorstellen. Umso beunruhigender fand sie die Vorstellung, ihn dennoch draußen in der glühenden Feuerhölle zu wissen. Ganz zu schweigen vom Rest der Familie, deren Haus gefährlich nah am lichterloh brennenden Dom stand.
    »Brennt wirklich schon der gesamte Kneiphof?«, fragte sie, als Mathilda nach einer halben Ewigkeit mit einer Kanne warmen Biers und einer Decke zurückkehrte. Statt zu antworten, schüttelte die Base

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