Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Wahrheit einfach nur nicht wagst zu tun.«
»Was sagst du da? Nennst du mich etwa feige?« Über ihren Worten war Jörg noch blasser geworden. In die Augen kehrte der vertraute Ausdruck von Kummer zurück.
»Feige, das hast du gesagt, nicht ich oder sonst wer. Überhaupt stehst vor allem du selbst dir stets im Weg, mein Lieber«, fügte sie betont sanft hinzu und stellte sich dicht vor ihn hin. Aufmunternd lächelte sie ihn an und legte ihm versöhnlich die Hand auf den Arm. »Längst weißt du es selbst. Es liegt allein an dir, deine Träume in die Tat umzusetzen. Dein Vater kann dir das Brauen nicht verbieten. Wenn du ihm zeigst, wie gut du es beherrschst und welche Pläne du damit verfolgst, wird er früher oder später froh sein, dass du diesen Weg einschlägst, statt dich und letztlich uns alle noch länger mit deiner Unfähigkeit als Baumeister zu quälen. Der Erfolg wird dir am Ende recht geben, glaub mir.«
»Ich verstehe immer noch nicht …«, sagte er, beendete den Satz jedoch nicht. Durch eine jähe Drehung entwand er sich ihr und eilte zum Tisch vor dem Fenster. Geschäftig begann er die Pläne dort zu sortieren. In wenigen Schritten stand sie neben ihm.
»Wovor hast du Angst?« Wieder erwachte der Ärger in ihr. »Dass es dir nicht gelingt, ein gutes Bier zu brauen, das alle Welt kaufen will? Fang doch erst einmal an, dann wirst du schon sehen. In Nürnberg bei meinem Oheim ist es dir mehr als einmal gelungen. Matas und Szymon sind zwei sehr gute Brauknechte, die werden dir helfen, deine Pläne umzusetzen. Und dein Schwager Urban leiht dir bestimmt etwas Geld, damit du mehr Brau dazu kaufen kannst. Bis zum Sommer könntest du …«
»Hör auf!«, fuhr er ihr unerwartet scharf über den Mund. »Du hast letzte Woche selbst gehört, was mein Vater davon hält – als gemeiner Löbenichter Mälzbrauer beschimpft er mich, wenn ich es wage, an der Sudpfanne zu stehen.«
»Was ist so schlimm daran? Soweit ich mitbekommen habe, sind die Mälz- und Schuffenbräuer sehr ehrbare und einflussreiche Leute. Im Löbenicht kommt ihnen derselbe Rang zu wie den Kaufleuten hier im Kneiphof.«
»Der Löbenicht ist aber nicht der Kneiphof! Von allen drei Königsberger Städten ist sie die geringste.«
»Was streiten wir beide uns über das Ansehen der Königsberger Städte?«, versuchte sie abermals, ihn wieder friedlicher zu stimmen. »Bist du ein Mann? Dann zeig es endlich und versteck dich nicht hinter der Behauptung, dein Vater würde dir bei deinen Plänen im Weg stehen. Du selbst stehst dir im Weg, niemand anderer. Erinnere dich, wie weit du in Nürnberg schon gewesen bist. Was hast du mir nicht alles erzählt über den Handel der Einbecker Brauleute mit ihrem Bier. Bis an den Münchener Hof wird es verkauft! Und die Lübecker liefern bis weit nach Norden hinauf. Ihnen willst du es gleichtun, hast du mir gesagt. Warum auch nicht? Es ist alles nur eine Frage der Menge und des richtigen Biermusters. Sobald du mit dem Bier viel Geld verdienst, wird dein Vater der Erste sein, der einsieht, wie richtig du dich entschieden hast. Noch dazu, wo das mit dir und dem Bauen ohnehin nichts Rechtes wird.«
»Da täuschst du dich gerade gewaltig. Immerhin haben mein Vater und ich den Auftrag von Tschakert bekommen. Der Umbau seines Hauses in der Langgasse wird uns einige Monate lang beschäftigen. Zudem wird mein Schwager uns helfen, künftig bei Hofe besser dazustehen und bei Bauvorhaben nicht mehr übergangen zu werden. Die ersten Schritte sind also getan. Sieh nur die Entwürfe an, die ich hier liegen habe. Darin steckt noch sehr viel, was uns in Zukunft goldene Zeiten bescheren wird.«
»Mach dir nichts vor.« Verächtlich nickte sie auf die Zeichnungen auf dem Tisch. Die Vormittagssonne warf ihr Licht durch das Fenster mitten auf das Papier. Der braunen Tinte war anzusehen, wie oft das schon geschehen und wie stark sie darüber bereits ausgebleicht war. Deutlich zeichneten sich die Stiche des zugrunde liegenden Risses ab. Selbst Gret erkannte, dass sie von einer sehr sicheren Hand gefertigt worden waren. Kein Strich war zu viel, kein Stich daneben. In einem Zug musste der Riss erfolgt und mit der Tinte nachgezeichnet worden sein. Jörg war viel zu zögerlich, um Derartiges zuwege zu bringen. »Das sind noch alte Pläne. Nichts davon ist wirklich von deiner Hand. Der Auftrag von Tschakert und die Gespräche mit deinem Schwager sind nur deshalb zustande gekommen, weil Veit dir und deinem Vater geholfen hat. Ewig aber
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