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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sie ihm um den Hals gefallen und hätte seine Wangen über und über mit Küssen bedeckt.
    »Und?«, fragte sie mühsam beherrscht. Alles in ihr brannte vor Verlangen. »Was sagst du dazu? Du siehst das Buch wohl auch zum ersten Mal. Wem mag es gehört haben? Wie ist es ins Haus oder vielmehr in die Werkstatt deines Vaters gelangt?«
    Während sie sprach, blätterte Jörg vorsichtig zurück zum Vorsatzblatt, musterte das Exlibris. »F und G, G und F«, murmelte er mehrmals vor sich hin, um das Buch schließlich schwungvoll zuzuschlagen und sie freudestrahlend anzuschauen. »Das muss einem der Fischarts gehört haben. Das sind entfernte Verwandte aus der Altstadt. Direkt am Altstädter Markt haben sie gewohnt. Vater hat einmal einen Oheim namens Georg erwähnt, den er als Kind noch kennengelernt hat, angeblich ein Neffe unseres berühmten Ahns Laurenz. Vielleicht stammt es von ihm. Soweit ich weiß, hat es bei den Fischarts keine direkten Nachfahren gegeben. Die Familie ist ausgestorben, das Haus verkauft. Das darauf liegende Braurecht gehört übrigens uns.«
    »Ist das nicht eigenartig? Ein solches Buch im Regal deines Vaters – nie hätte ich ihm das zugetraut. Die darin gepressten Blumen sind erst wenige Jahre alt. Also muss es jemand unlängst in Gebrauch gehabt haben. Vielleicht hat jener Oheim früher deinem Vater aus dem Buch vorgelesen und es ihm deshalb nach seinem Tod vermacht?«
    »Das glaube ich kaum. Die Abenteuergeschichten haben ihm zwar sicherlich gefallen. Welches Kind hört nicht gern von Rittern, die gegen Drachen kämpfen oder sich ihrer bösen Feinde erwehren? Aber Minnelieder? Das passt ganz und gar nicht zu ihm, von getrockneten Rosen- und Veilchenblättern ganz zu schweigen.«
    »Weil du nicht willst, dass es zu ihm passt.« Behutsam nahm sie ihm das Buch aus der Hand, strich noch einmal versonnen über den Buchdeckel, dann legte, vielmehr bettete sie es vorsichtig zurück ins Regal, genau an die Stelle, an der es zuvor gelegen hatte. Sorgfältig zog sie die Papiere und Pergamentrollen darüber. Nur wer genau wusste, wo es lag, würde es finden. »Kein Mensch ist unbedingt der, den er auf den ersten Blick zu sein scheint.«
    »Worauf willst du hinaus?« Als sie sich umdrehte, hatte Jörg sich breitbeinig vor ihr aufgebaut, die Arme vor der Brust verschränkt, das sonst eher weiche Antlitz zu einer angriffslustigen Miene verzogen.
    »Worauf wohl?« Ihr war nicht zum Streiten zumute. Zu verheißungsvoll klangen ihr noch die Zeilen im Ohr, die sie vorhin gelesen hatte. In der Nacht, wenn alle schliefen, würde sie noch einmal in die Werkstatt schleichen und in Ruhe weiter in dem Buch lesen. Dann würde sie sich die getrocknete Schafgarbe nehmen und unters Kopfkissen legen. Bei der Vorstellung, von wem sie wohl als Liebsten träumen mochte, schlug ihr Herz heftiger. Eine Sehnsucht hatte sie. Mitleidig schaute sie Jörg an. »Auch dein Vater hat noch andere Seiten als nur die des strengen Familienoberhaupts. Hast du dir niemals Gedanken darüber gemacht, wie eine so zarte, gefühlvolle Frau wie deine Mutter es einst mit ihm ausgehalten hat? Nach allem, was man so hört, waren die beiden einander in aufrichtiger Liebe zugetan. Bis auf den heutigen Tag vergeht keine Stunde, in der er nicht um sie trauert. Das nenne ich wahre Liebe.«
    »Wer sagt das? Renata? Hör nicht auf sie. Sie ist nicht recht bei Sinnen. Alles leeres Geschwätz! Du hast meine Mutter nicht gekannt. Sprich also bitte nicht über sie.«
    »Ich spreche nicht über sie, sondern darüber, dass dein Vater sie aus tiefster Seele geliebt haben muss. Nach ihrem Tod hat er nicht noch einmal geheiratet, so groß war sein Schmerz. Dabei hätte eine Frau im Haus wirklich notgetan. Lienhart war erst wenige Tage alt, als sie starb, Dora viel zu jung, um sich um alles zu kümmern, von dir ganz zu schweigen.«
    »Was erzählst du da für Geschichten? Wahrscheinlich hast du schon viel zu lang in diesem Buch gelesen. Geh lieber zurück in die Küche, schau Renata besser auf die Finger. Mein Vater wird es nicht gern sehen, dass du hier oben in der Werkstatt seine Sachen durchwühlst.«
    Er wollte sie zur Tür schieben, sie aber wehrte sich heftig dagegen. »Mein Vater will nicht, mein Vater wird nicht, mein Vater mag nicht – immerzu versteckst du dich hinter solchen Sätzen! Deinen Vater als strenges Ungeheuer darzustellen kommt dir sehr gelegen. Das enthebt dich der Verpflichtung, das zu tun, was du selbst am liebsten tun würdest, aber in

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