Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
jetzt also Euer und Doras neues Heim in der Junkergasse. Bis Ende des Sommers brauchen wir keine weiteren Aufträge. Gleich heute noch spreche ich mit Maurermeister Kölges und frage ihn, ob wir auch hier in der Altstadt mit ihm rechnen können.«
»Wie kommt Ihr darauf, den Neubau meines Gemahls gleich als Euren Auftrag zu betrachten? Es ist mein Vorhaben, wie Urban vorhin schon gesagt hat.« Doras überraschend bestimmter Ton ließ keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, notfalls mit allen Mitteln für diese Aufgabe zu kämpfen. »Selbstverständlich werde ich in der Junkergasse mit Handwerkern aus der Altstadt zusammenarbeiten. Deshalb werde ich Meister Zahnke mit den Maurerarbeiten beauftragen und für die Zimmerei Carl Necker hinzuziehen. Als Steinmetz kommt eigentlich nur Jörgs Freund Miehlke in Frage.«
»Das halte ich für eine sehr gute Wahl, mein Augenstern. Auch ich habe bereits an diese Meister gedacht. Sie scheinen mir die Besten für die Umsetzung Eures Entwurfs.«
Umständlich erhob sich Urban und baute sich hinter Doras Stuhl auf. Empört holte Mathilda tief Luft.
»Ich beglückwünsche dich zu dieser Wahl, mein Kind.« Die sonst so mürrisch wirkende Miene Wenzel Seleges spiegelte für einen Moment aufrichtige Anerkennung. Er wagte sogar, seiner Tochter auf die Schulter zu klopfen. »Da es jedoch dein erster Bau ist, solltest du einen anerkannten Baumeister um Beistand bitten. Die Handwerker sind es nicht gewohnt, die Anweisungen einer jungen Baumeisterin zu befolgen. Dein Gemahl wird gewiss nichts dagegen haben, wenn dein Bruder, Singeknecht und ich uns absprechen, wer von uns dir am besten beisteht.«
Zufrieden ging er ans andere Tischende zurück und nahm wieder Platz. Während er sich den Teller großzügig mit Braten und Soße füllte, pflichtete Urban ihm versöhnlich gestimmt bei: »Ihr habt recht, mein lieber Schwäher, nach außen hin sollte meine liebe Gemahlin einen männlichen Baumeister zur Seite haben. Das festigt ihre Stellung gegenüber den Maurern und Steinmetzen.« Er hielt inne, tätschelte beruhigend Doras Schulter und fügte dann an Wenzel gewandt hinzu: »Dazu habe ich mir auch schon einige Gedanken gemacht. Machen wir uns nichts vor, in unserem Haus ist es auf Dauer zu eng für uns alle. Deshalb werdet Ihr dem Wiederaufbau Eures eigenen Heims in der Domgasse dem Umbau bei Tschakert den Vorzug geben und die Aufsicht selbst in die Hand nehmen. Je schneller er vorangeht, je schneller seid Ihr wieder Herr im eigenen Haus. Seid gewiss, ich werde alles tun, Euch nach Kräften zu unterstützen, damit Ihr Steine, Holz, Dachziegel und dergleichen in ausreichendem Maß zur Verfügung habt.« Wenzel Selege nickte zustimmend und begann aufreizend sorgfältig, das Fleisch auf seinem Teller zu zerteilen. Ruhig fuhr Urban fort: »Euer Sohn Jörg wird Euch dabei natürlich zur Seite stehen. Eines Tages wird das Haus seine eigene Familie beherbergen. Da macht es Sinn, ihn bereits jetzt in die Pläne mit einzubeziehen. So bleibt Euch beiden zudem ausreichend Gelegenheit, den Erweiterungsbau bei Tschakert in der Kneiphofer Langgasse gemeinsam zu beaufsichtigen.«
Er legte abermals eine Pause ein. Mathilda beobachtete, wie Selege sich ein viel zu großes Stück Fleisch in den Mund schob. Als er den Mund zum Kauen schloss, triefte die Soße aus den Mundwinkeln am Kinn herunter. Ärgerlich wischte er sie mit dem Handrücken fort. Angewidert wandte Mathilda sich ab. Zu ihrem Erstaunen bemerkte sie, wie sich auch Lienhart alles andere als erfreut über das Gebaren seines Vaters zeigte. Sobald er ihres Blickes gewahr wurde, senkte er beschämt das sommersprossenübersäte Antlitz.
»Du hast sicher Hunger, mein Junge.« Verständnisvoll strich sie ihm über den braunen Haarschopf. Als er stumm nickte, angelte sie nach der Fleischplatte und schob sie vor ihn hin. Fürsorglich legte sie ihm eine weitere, ungewöhnlich dicke Scheibe Braten auf den Teller. Plötzlich merkte sie, wie ruhig es in der Stube geworden war. Offenbar verfolgten alle am Tisch mit, wie sie Lienhart mit dem Fleisch versorgte. Sie schürzte die Lippen, überlegte, dann sah sie schmunzelnd in der Runde umher, ließ die Augen zuletzt auf Dora ruhen, die ihr schräg gegenübersaß. »Ein Bursche in seinem Alter muss tüchtig essen. Schließlich wollen wir alle, dass etwas Ordentliches aus ihm wird. In den letzten Monaten ist viel zu wenig darauf geachtet worden. Es fehlte einfach die Frau im Haus an der Domgasse.«
»Macht
Weitere Kostenlose Bücher