Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
sinnvoller, die Planung von Anfang an in die Hände der beiden zu legen. Dora stiftet nur Verwirrung. Noch dazu, wo sie der Zunft nicht angehört und deshalb der Baustelle gar nicht vorstehen darf.«
»Vater, bitte«, warf Jörg zaghaft ein, was seiner ihm gegenübersitzenden Gemahlin Gret ein warnendes Zischen entlockte. Mathilda hob die Hand vor den Mund, um ein Schmunzeln zu verbergen. Das Gespräch schlug eine Richtung ein, die sie sehr belustigte.
Dora wollte etwas gegen ihren Vater einwenden, doch Urban gebot ihr zu schweigen. Auf seiner Miene lag deutlicher Unmut. In ungewöhnlich scharfem Ton stellte er klar: »Als herzoglicher Kammerrat steht es mir vollkommen frei, wen ich mit einem Bau beauftrage. Davon abgesehen solltet Ihr es mir überlassen, welche Aufgaben ich meiner Gemahlin übergebe. Vor zwei Jahren habt Ihr mir Eure Tochter anvertraut, um jedweder Verantwortung für sie enthoben zu sein.«
Wenzel Selege erblasste, die übrigen Tischgefährten senkten die Blicke. Mathilda dagegen hob das Kinn, sah voller Stolz über die Tafel, bevor sie sich zufrieden wieder ihrer Suppe zuwandte. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass auch Lienhart das Geschehen aufmerksam verfolgt hatte. Zufällig trafen sich ihre Blicke. Sie zwinkerte, er lächelte scheu. Erneut spürte sie eine ungewohnte Wärme in ihrem Leib aufwallen. Unauffällig schob sie dem Knaben den Teller mit dem Braten zu und ermunterte ihn, sich ein großes Stück zu nehmen.
»Nichts liegt mir ferner, als mich in Eure Haushaltsangelegenheiten einzumischen, lieber Eidam.« Nach einer kleinen Pause hatte Wenzel seine Fassung wiedergefunden. »Angesichts der vielen Menschen, die dank Eurer Güte derzeit in Eurem Haus weilen, wollte ich meine Tochter lediglich an ihre Pflichten als Hausfrau und Gastgeberin erinnern. Jede helfende Hand in der Küche tut not, solange Renata zu nichts zu gebrauchen ist. Auch wenn nach dem Brand fürs Erste das Bierbrauen ruht, sollte Dora Eure Base bei den Sorgen um den Haushalt kräftig unterstützen.«
Bei Erwähnung ihrer Person meinte Mathilda eine ganz besondere Betonung herauszuhören. Verwundert schaute sie links an Gret vorbei zu Wenzel. Ein versonnenes Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. Das verlieh dem eckigen Kinn eine außergewöhnliche Milde. Sobald er ihres Blickes gewahr wurde, wich er aus. Ein leichtes Flackern in seinen Augen verriet Verlegenheit. Ohne so recht zu wissen, warum, spürte sie ein unerklärliches Ziehen in der Brust. Rasch wandte sie sich wieder von ihm ab.
»Dass Ihr derzeit Euer berühmtes Bier nicht brauen könnt, ist ein arger Verlust, lieber Schwäher«, fuhr Urban betont ruhig fort. »Mit dem vorübergehenden Verkauf Eures Braus an andere Brauer werden Euch zumindest die fehlenden Einnahmen ersetzt. Bei Gelegenheit sollten wir uns allerdings darüber unterhalten, ob meine Frau nach dem Wiederaufbau Eures Hauses tatsächlich noch alle vierzehn Tage das Brauen in Eurem Haus beaufsichtigen muss. In Eurer Schnur habt Ihr eine äußerst fachkundige Brauerin zur Seite. Allein schon ihre Herkunft aus einem Gasthaus befähigt sie für diese Aufgabe, die ihr als Hausfrau ohnehin eigentlich allein zukommt.«
Bei dieser längst überfälligen Feststellung ruhte Urbans Blick einen Moment zu lang auf Gret. Beunruhigt musterte Mathilda ihn, meinte in seinen blassblauen Augen ein schwaches Glimmen aus längst vergangenen Jugendjahren zu entdecken. Sie schaute zu Gret. Die bernsteinblonde Schönheit saß aufrecht zu ihrer Linken und sonnte sich in Urbans Lob. Dabei funkelten ihre blauen Augen, der schön geschwungene Mund lächelte. Als sie dessen gewahr wurde, fiel es Mathilda wie Schuppen von den Augen, und sie fühlte sich knapp zwanzig Jahre zurückversetzt nach Nürnberg. Wie hatte ihr das bislang entgehen können? An der Pegnitz hatte es eine junge Frau von verblüffend ähnlichem Aussehen gegeben, die dem Vetter ein vergleichbares Funkeln in den Augen entlockt hatte. Noch einmal schaute sie zu Urban, der weiterhin verzückt wirkte, und dann wieder zu Gret und beschloss letztlich, ihre Vermutung vorerst für sich zu behalten. Die Zeit würde kommen, daraus einen Nutzen zu ziehen.
»Mit Verlaub, lieber Kammerrat, Eure Gemahlin hat einen ganz außergewöhnlichen Entwurf für Euer neues Haus angefertigt«, erhob unterdessen Veit Singeknecht seine Stimme. Die Art, wie er das sagte und dazu Dora anschaute, lenkte Mathilda alsbald von Gret ab. Singeknecht steigerte sich mit jeder Silbe in
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