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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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dem verheerenden Feuer auf der Dominsel eine schlimme Not aus, die alle Königsberger über Wochen bis aufs ärgste quälen würde. Dieses Mal würden sie die Tore vor den Kneiphofern deshalb fest verschlossen halten.«
    »Das ist furchtbar.« Fassungslos schüttelte Dora den Kopf. »Seit dem Unglück hat die arme Renata den Verstand verloren. Sie ist schon immer etwas schwachsinnig gewesen. Das Feuer letztens hat ihr mehr zugesetzt als so manch anderem. Das wissen die Kneiphofer. Warum geben sie sich so rachsüchtig? Man hätte die arme Renata einfangen und beruhigen müssen. Ihrem Wüten hat doch wohl keiner Glauben geschenkt. Schließlich gab es keinerlei Anzeichen für einen neuerlichen Brand.«
    »Verzeiht, liebe Stöckelin, aber Ihr wohnt weit weg am Altstädter Mühlenberg und habt über diesen Vorfall leicht reden. Für die Menschen hier im Kneiphof dagegen hat das Schreien der Frau sehr bekannte Ängste geweckt. Bedenkt auch, beim letzten Mal, als das Feuer seinen Ausgang in Thomas Schackens Haus nahm, dauerte es viel zu lang, bis jemand mit Rufen auf die Flammen aufmerksam machte und seine Nachbarn warnte, wie es die Brandordnung vorschreibt. Schacken selbst begriff viel zu spät, dass er dem Feuer auf seiner Darre allein nicht mehr Herr werden konnte. Dazu kam der kräftig aufbrausende Ostwind, der binnen weniger Augenblicke selbst den Dom auflodern ließ wie ein Herdfeuer. Wie eine Walze rollte der Brand über den Kneiphof hinweg und hatte bereits ganze Häuser, Buden und Dachstühle verschlungen, ehe den meisten überhaupt klarwurde, was genau los war. So etwas wollten die Leute letzte Nacht nicht noch einmal erleben. Aus lauter Angst vor der Rückkehr des Flammenmeers folgten sie der Magd gleich mit Eimern voll Wasser auf die Gassen und schrien ebenfalls lauthals ›Feuer!‹. Manche packten gar schon ihre Bündel und flüchteten zu den Brücken. Wieder andere verschanzten sich in ihren Häusern. Als sich im Morgengrauen noch immer keine neue Feuersbrunst zeigte, wuchs allmählich die Einsicht, einer bösen Täuschung aufgesessen zu sein. Sofort drehte sich die Stimmung gegen die Magd.« Er hielt inne, betrachtete sie ruhig, um bedeutungsschwanger nachzusetzen: »Nichts ist schlimmer, als plötzlich festzustellen, von einem Narren zum Narren gemacht worden zu sein.«
    »Da habt Ihr recht«, stimmte Dora zu. Geradeheraus blickte sie dem etwa vierzigjährigen Kaufmann entgegen. Auch wenn er mehr als einen Kopf größer und von sehr beeindruckender Statur war, sollte er nicht glauben, sie mit seiner Schilderung des Vorfalls eingeschüchtert zu haben. Dennoch fühlte sie sich unbehaglich. Der Vorraum war mehr als unpassend für eine Unterhaltung wie diese. Die dunkel getäfelten Wände und der schwarz-weiß geflieste Boden gaben zwar einen Vorgeschmack auf die reiche Ausstattung des großen Ratssaales, dessen Decke mit buntbemalten Eichenholzbalken und riesigen Kerzenleuchtern geschmückt war, aber das änderte wenig daran, ihr das Gefühl einer Bittstellerin zu vermitteln, die um die Gnade eines Ratsherrn flehte. Der Gemahlin des herzoglichen Kammerrats jedoch war das kaum angemessen. Entschlossen streckte sie den Rücken, sah Steinhaus herausfordernd an. Gleich erlag er dem Reiz ihrer verschiedenfarbigen Augen. Mit einem entschuldigenden Lächeln auf den schmalen Lippen führte er sie in den angrenzenden kleinen Saal, der als Sprechstube diente, und wies auf eine der Bänke an der Seitenwand. Erleichtert, einen Schritt weitergekommen zu sein, nahm sie Platz.
    »Zumindest ist es uns gelungen, die arme Frau hier im Rathaus in Sicherheit zu bringen«, erklärte er bereits eine Spur beflissener als vorhin. »Auf der Straße hätten sie ihr bei lebendigem Leib die Haut abgezogen.«
    Er verschränkte die Hände auf dem Rücken, begann auf den Fußspitzen zu wippen und richtete das Gesicht zu den Fenstern, die auf die Brotbänkengasse hinausgingen. Draußen lärmte es nach wie vor, als gälte es, mit dem Gebrüll Gott, den Allmächtigen, als Richter auf Erden hinabzurufen.
    Dora erinnerte sich des Spruchs, der über der Eingangstür des Rathauses prangte: »Ein Staat ist nichts nütze, der keine Macht und Energie besitzt gegen die Verbrecher.« Wie wahr das gerade angesichts von Renatas verzweifelter Lage war. Nicht die arme Magd hatte ein Verbrechen begangen, die Kneiphofer selbst waren in blinder Wut dabei, eines an ihr zu begehen. Und der Staat, verkörpert durch den Kneiphofer Rat, wusste nichts Besseres,

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