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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hätten begleiten können. Zumindest hätte sie Mathilda bitten können, mitzukommen. Die bissigen Bemerkungen der Base über das endgültige Tollwerden der armen Renata zu ertragen, wäre allemal besser gewesen als dieser Spießrutenlauf durch die unberechenbare Meute. Dass sie Veit Singeknechts Geleit abgelehnt hatte, war trotzdem eine gute Entscheidung gewesen. Mit ihm als alleinigem Begleiter in ihrer Vaterstadt aufzutauchen, wäre ihr noch übler ausgelegt worden.
    Keuchend vor Anstrengung und zugleich schwitzend vor Anspannung, erreichte sie die reichverzierte Haupttür des Rathauses. Als sie gerade den goldenen Klopfer betätigen wollte, schwang sie wie von Geisterhand auf. Mit wichtigem Gesicht trat Kaufmann Götz Steinhaus heraus. Sofort breitete sich Ruhe aus. Steinhaus war nicht nur ein angesehener Bürger, sondern saß auch im Rat des Kneiphofs, weshalb seinem Auftreten gebührender Respekt gezollt wurde.
    »Gut, dass Ihr da seid! Wir warten schon auf Euch.« Er musste ihr Erscheinen heimlich hinter der Tür erwartet haben, anders war sein passgenaues Auftauchen nicht zu erklären. Fast schon unfreundlich zog er sie am Arm zur Tür herein und schloss sie sofort hinter ihr. Mit beiden Händen musste er sich dazu gegen den Flügel stemmen. Frech versuchten einige Leute, mit Dora ins Rathaus zu schlüpfen. »Fort mit euch! Gebt endlich Ruhe!«, schimpfte er.
    Dora schaute sich in dem düsteren Vorraum um. Kein Stadtknecht war zu entdecken, ebenso fand sich keiner der anderen Ratsherren. Das überraschte sie, hatte Steinhaus eben doch ausdrücklich von »wir« gesprochen und auch der Botenjunge den Eindruck erweckt, der gesamte Rat würde nach ihr schicken.
    »Wahnsinnig, die sind alle wahnsinnig!«, knurrte Steinhaus. »Da fragt man sich, wer größeren Schaden anrichtet, die Tollwütige von letzter Nacht oder die Kneiphofer mit ihrem Gebrüll, die arme Frau an den Pranger zu stellen.«
    »Denkt Ihr, es liegt am heutigen Tag?«
    »Ihr meint, am Karfreitag sind sie besonders empfänglich für solches Wüten? Christlich ist es gerade nicht zu nennen, was sie da tun. Vor dem hohen Osterfest sollten einige noch ihr Gewissen erleichtern und einen Pfarrer aufsuchen.«
    Das aufgebrachte Zetern vor der Tür hob von neuem an. Selbst durch das dicke Holz war noch jedes einzelne Wort gut zu verstehen. Dora war, als spürte sie sogar noch die grapschenden Hände am Leib, die auf der Treppe nach ihr gefasst hatten. Eine Frau hatte sie sogar angespuckt.
    »Nach mir ist geschickt worden«, sagte sie, um die Bilder aus dem Kopf zu verdrängen. »Es gehe um die Magd meines Vaters, hieß es. Sie hat letzte Nacht wohl für einigen Wirbel gesorgt.«
    »›Für einigen Wirbel gesorgt‹ – das habt Ihr sehr schön ausgedrückt.« Steinhaus konnte sich ein empörtes Aufschnauben nicht versagen. Er rieb sich den grauen Spitzbart. Am dritten Finger der rechten Hand glänzte ein goldener Siegelring, daneben steckte einer aus gelbem Bernstein. Die linke Hand galant in die Seite gestützt, stellte er den Fuß etwas vor. Das verlieh ihm ein seltsam keckes Aussehen, was so gar nicht zu seiner sonstigen Erscheinung passte. Seit den Zeiten seines Großvaters gehörten die Männer der Familie Steinhaus dem Rat an. Entsprechend würdevoll bewegte er sich stets, ließ das Ansehen des Amtes in jeder einzelnen Geste durchscheinen. Unter der Schaube mit dem kostbaren Pelzkragen lugte der Faltrock aus schwerem dunklem Tuch hervor. Dazu trug er passende Hosen sowie dunkelrote Strümpfe. Die Kuhmaulschuhe waren auf Hochglanz poliert, als wäre er an diesem sonnigen Karfreitag noch keinen Schritt auf den staubigen Straßen unterwegs gewesen. »Wie Ihr gerade selbst feststellen konntet, dauert der Aufruhr der letzten Nacht weiter an«, brummte er. »Man kann es den Leuten kaum verdenken.«
    »Was hat Renata Schlimmes verbrochen? Die Kneiphofer spucken mir schon ins Gesicht. Dabei wissen sie genau, wer ich bin und wer mein Gemahl ist.«
    »Ich fürchte, das hilft Euch in diesem Fall nicht sonderlich viel. Die Magd Eures Vaters hat letzte Nacht die ganze Stadt in unfassbare Angst und Schrecken versetzt. Durch sämtliche Straßen ist sie gerannt, hat an den Türen gerüttelt und geschrien, es gelte, Leib und Leben zu retten. Brennen würde es wieder und dieses Mal weitaus fürchterlicher als vor zehn Tagen. Kein Haus bliebe verschont, es käme zu unzähligen Toten. In der Altstadt und dem Löbenicht wäre man auch nicht mehr sicher. Dort bräche nach

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