Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Euch keine Umstände«, meldete sich Gret zu Wort. »Seit ich da bin, kann Lienhart sich beileibe nicht beklagen. Jeden Wunsch habe ich ihm von den Augen abgelesen.«
»Es geht nicht darum, Kindern blindlings jeden Wunsch zu erfüllen, sondern zu jeder Zeit das Beste für sie zu tun. Was das ist, das wissen im Zweifelsfall wir Erwachsenen besser als sie, auch wenn das bedeutet, mitunter ihren Wünschen zuwiderzuhandeln.«
Beifallheischend sah sie zu Vetter Urban, darauf hoffend, er würde ihr zustimmen. Zu ihrem Erstaunen aber runzelte er die Stirn und würdigte sie keines Blickes. Umso gefälliger nickte er Gret am anderen Tischende zu, was diese wiederum ermutigte, von neuem das Wort zu ergreifen.
»Wie schön, Euch so klug über die Erziehung von Kindern reden zu hören. Man könnte glatt meinen, Ihr hättet bereits eine große Schar erfolgreich aufgezogen.«
»Ich denke, mein lieber Gemahl hat recht, für acht ist es in unserem Haus auf Dauer viel zu eng«, merkte Dora in scharfem Ton an. »Je eher das Haus in der Domgasse wiederhergestellt ist, je wohler wird es uns allen sein.«
»Ganz wie Ihr meint«, entfuhr es Mathilda spitz. Ihr Blick wanderte zwischen Dora und dem neben ihr sitzenden Veit hin und her, was der jungen Gemahlin ihres Vetters von neuem die Röte auf die Wangen trieb. Veit hingegen rückte seinen Teller zu ihr hin, streifte dabei wie zufällig ihre Finger. Sie zuckte zurück. Mathilda schmunzelte böse in sich hinein. Ihre Ahnung hatte sie nicht getäuscht. Rasch wandte sie sich wieder ihrem eigenen Teller zu.
»Euer Vater und Euer Bruder werden alles daransetzen, dass Euer Elternhaus bald wieder bewohnbar ist.« Liebevoll strich Urban seiner Frau über die Wange, bevor er der übrigen Tischgesellschaft erklärte: »Da also Ihr, lieber Schwäher, im Kneiphof gut beschäftigt seid, werdet Ihr sicher zustimmen, dass Euer hochverehrter Gast aus Nürnberg derweil hier in der Altstadt meiner Gemahlin beim Bau meines neuen Heims zur Hand geht. Sein gebrochener Arm hindert ihn ohnehin noch einige Wochen daran, auf einer Baustelle kräftig anzupacken. Deshalb ist er in Doras Werkstatt wohl weitaus besser aufgehoben.«
»Wie bitte?« Verstört schaute Dora auf, doch Urban überging das.
»Der Entwurf ist bereits sehr weit gediehen. Woran es nun vor allem mangelt, ist ein männlicher Beistand, der Euch bei den Handwerkern unterstützt. In diesem Punkt muss ich Eurem Vater zustimmen. Das kann der gute Singeknecht mit einem Arm genauso gut wie mit zweien. Vorausgesetzt natürlich, er selbst ist mit dieser Aufgabe einverstanden.«
»Natürlich«, erwiderte Veit eine Spur zu hastig. Es fiel ihm schwer, die Freude auf seinem Gesicht zu verbergen. Darüber verloren die letzten Spuren seiner Brandverletzungen unter dem linken Auge völlig an Gewicht.
»Ich hoffe, Ihr wisst, was Ihr tut«, sagte Mathilda leise und erhob sich von ihrem Platz, um Elßlin zum Abräumen des Tisches aus der Küche zu holen.
16
D er gewaltige Aufruhr in der Brotbänkengasse war der Würde eines Karfreitags völlig unangemessen. Dora tat sich schwer, die Worte zur Passionsgeschichte Christi, die Urban beim gemeinsamen Morgengebet hatte verlauten lassen, mit dem Geschrei vor dem Kneiphofer Rathaus in Einklang zu bringen. Vielleicht aber war es gerade die Karfreitagsstimmung der Menschen, die solches Aufbegehren möglich machte. Am liebsten hätte Dora sich die Ohren zugehalten. Das Geschrei war ihr zutiefst zuwider.
»Bringt sie raus, die Tollwütige!« – »Büßen muss sie!« – »An den Pranger mit ihr!« Die Rufe wurden lauter und hitziger. Die Ersten reckten die Fäuste in die Luft. Auf den Gesichtern stand zügellose Wut. Wie eine gewaltige Wand schwappten die Körper nach vorn, auf die Treppe zum Eingang zu. Nur mit Mühe gelang es Dora, sich aus der Masse zu lösen und die Stufen bis zum Eingang des Rathauses hinaufzustolpern. Böse Blicke streiften sie.
»Seht nur, die Stöckelin!« – »Traut sich tatsächlich aus der Altstadt her, um die verrückte Magd ihres Vaters abzuholen.« – »Lasst sie durch, sie hat ein Recht dazu.« – »Hast du Angst, ihr Mann hetzt die Wachen vom Schloss auf dich?« – »Hast du vergessen, was der Kammerrat letztens für uns getan hat?«
Dora wurde mulmig. Mit einer derart feindseligen Begrüßung durch die Kneiphofer hatte sie nicht gerechnet. Sich allein auf den Weg zu machen, war nicht sonderlich klug gewesen. Sie hätte warten sollen, bis Jörg oder der Vater sie
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