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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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übertönt vom kecken Lockruf einer Amsel und dem emsigen Klopfen eines Spechts.
    Die Geräusche des Waldes erinnerten Dora an die letzte Nacht in Breitenstein. Voller Wehmut sehnte sie sich an den geheimnisumwitterten Ort auf der Lichtung zurück, den ein drei Mann breiter und gut zwei Klafter hoher Findling beherrschte. Herzog Albrecht liebte es, dort auf seinen Jagden nach Auerochsen, Elchen, Bären und Wölfen große Tafel zu halten. Um dabei jederzeit kräftiges Bier und rösches Brot vorzufinden, hatte er Asmus Baumgart die Einrichtung eines Hofs gestattet und kurz darauf die Kruggerechtigkeit nebst Braurecht übertragen. Es hieß, bereits Hochmeister Winrich von Kniprode und Bischof Jakob von Samland hätten einst an der Stelle gelagert, um das von ihnen eroberte Nadrauen unter sich aufzuteilen. Ungeachtet dieser Geschichten mochte Dora den Ort seiner besonderen Stimmung wegen. Wann immer sie dort weilte, meinte sie Raum und Zeit um sich herum vergessen zu können und in eine andere Welt einzutauchen. Letzte Nacht war es ihr gelungen, auch Urban diesen Zauber spüren zu lassen.
    Der Gedanke an die innige Zweisamkeit, die sie beide seit Tapiau wie ein dichtes Netz umspann, entlockte ihr ein versonnenes Lächeln. Die neue Zärtlichkeit, mit der Urban ihr seither begegnete, spendete ihr Kraft, um der bevorstehenden Rückkehr in die Enge Königsbergs zuversichtlich entgegenzusehen. Zum ersten Mal in ihrer bereits zwei Jahre währenden Ehe hatte sie das Gefühl, ihren Gemahl ganz für sich gewonnen zu haben. Die lang schwelende Glut in seinem Inneren war endlich zu einem begehrlich knisternden Feuer aufgelodert. In Vorfreude auf die Wonnen der nächsten Nacht summte sie eine fröhliche Melodie vor sich hin.
    Urban musste es ähnlich ergehen. Dicht schloss er zu ihr auf, legte ihr die Hand auf die Schultern und lächelte verzückt zu ihr herüber. »Ich sehe, mein Augenstern, Ihr genießt den Frühling in vollen Zügen. Wir haben großes Glück, diese wundervollen Stunden gemeinsam zu erleben. In Königsberg werden uns leider wieder viel zu schnell andere Aufgaben in Beschlag nehmen und uns täglich für viele Stunden voneinander trennen.«
    Er beugte sich vor und griff nach ihren Händen, um sie zu küssen. Verliebt sah er Dora in die Augen, behielt ihre Hand länger als nötig an seinen Lippen. Dora erfüllte ein weiterer Freudentaumel.
    »Denkt nicht daran, was uns zu Hause erwartet. Noch trennen uns mindestens drei Tage vom Alltag. Das sollten wir auskosten.«
    »Und vielleicht noch eine kurze Rast einlegen, um das Sprießen und Blühen der Natur zu genießen.« Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu. Sie schmunzelte. Es gefiel ihr, wie der sonst so strenge Kammerrat in den letzten Tagen seine Würde zugunsten einer neu gewonnenen Lässigkeit abgelegt hatte. »Bald, mein Augenstern, werdet Ihr noch etwas sehr Schönes erblicken, was Euch wünschen lässt, den Augenblick in eine Ewigkeit zu verwandeln. Auf der gegenüberliegenden Flussseite finden sich so malerische Flecken wie Keilergrund, Rehwiese und Bärensprung, hervorragende Jagdgebiete. Gleich dahinter erschließt sich der Eichwalder Forst, den zahlreiche Bäche und Gewässer durchziehen. Wir aber halten uns links der Inster. Gleich werdet Ihr wissen, warum.« Noch einmal hauchte er einen Kuss auf ihre Hand, dann trieb er seinen Braunen zum Trab. Dora bedauerte das jähe Ende der Unterhaltung. Lang währte die Enttäuschung jedoch nicht. Der Birkenwald lichtete sich, trat schließlich hinter einer Wiese zurück. Abertausende von blauen und gelben Blumen verwandelten sie in einen bunten Teppich. Neben zwei Baumstümpfen saßen die beiden Wachleute und Urbans Schreiber Hubart von ihren Pferden ab. Auch Urban zügelte den Braunen. »Zeit für eine kleine Rast.«
    Er übergab dem Gehilfen die Zügel und half Dora von der Stute herunter. Kaum auf der sicheren Erde angelangt, fasste er ihre Hand. Sie dachte, er wollte sie über die Blumenwiese führen, ihr die Schönheit der Blüten zeigen, die sich keck der Sonne zudrehten. Als riesiger gelber Ball hatte sie hoch am Himmel Stellung bezogen, strahlte stolz wie eine Mutter auf ihre Schützlinge herab. Urban führte Dora allerdings von der bezaubernden Lichtung fort zu einem schmalen Pfad, der nach wenigen Schritten wieder in den Wald abbog.
    Die Birken wichen mehr und mehr Eichen und Kiefern. Das niedrige Gestrüpp auf der Erde nahm ab, der Boden wurde sandig und karg, über und über mit trockenen langen

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