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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hätte es allenfalls seine Gemahlin Dorothea eingestellt. Ich gratuliere Euch: Ihr seid weiterhin derjenige von uns, der den Herzog am besten kennt.«
    »Ihr seht nicht so aus, als würdet Ihr das bedauern.«
    »Viel eher bedaure ich, in den letzten Tagen nicht mehr sicher sein zu können, ob ich Euch noch gut genug kenne. Dabei seid Ihr mein Gemahl. Niemand steht mir näher als Ihr.« Kaum hatte sie geendet, begann ihr Herz wild zu pochen. War es zu kühn gewesen, ihm solches direkt zu sagen?
    »Worauf wollt Ihr hinaus?«
    »Das wisst Ihr nur zu gut. Euer Verhalten mir gegenüber befremdet, ja, erschreckt mich regelrecht.«
    »Wäre es nicht an mir, solches von Euch zu behaupten?«
    Eindringlich sah er sie an. Das Blau seiner Augen umrandete die vom Dämmerlicht weit gewordenen Pupillen in einem schmalen Band. Sein Blick besaß eine gefährliche Tiefe, die sie unrettbar zu sich hinabzog. Jener Schmerz flammte darin auf, der ihr schon von dem unsäglichen Zusammentreffen in der Werkstatt vertraut war. Zugleich aber blitzte in den Tiefen seiner Seele auch jene Leidenschaft auf, die sie einmal schon erahnt hatte. Es war das immer noch vorhandene Feuer vergangener Jugend, das ihn zu allem befähigte, ließe er es endlich einmal zu. Unstillbare Sehnsucht erfasste sie. Sie musste das Geheimnis lüften. In der Nacht nach dem grausamen Feuer hatte er gewagt, sich dem aufkeimenden Taumel hinzugeben. Gezeichnet von den Schrecknissen der Nacht, hatte er alles um sich herum vergessen und einzig seine Leidenschaft gelebt. Erwartungsvoll, ob sich das noch einmal wiederholen ließ, schaute sie ihn an.
    Auf seinem strengen Antlitz verwischten die sonst so klaren Konturen. Etwas Weiches, Verletzliches lag darin. All die Jahre an Erfahrung, Wissen, Beherrschtheit, die er ihr voraushatte, lösten sich in nichts auf. Zurück blieb eine zarte Seele, die es zu hüten, zu beschützen und zu lieben galt. Blindlings warf sie sich ihm entgegen, nahm sein Gesicht in beide Hände und überdeckte es mit heißen Küssen.
    »Verzeiht mir, Liebster, verzeiht!«, wisperte sie. »Allein die Sehnsucht nach Euch hat mich derart verwirrt, dass ich wohl nicht mehr wusste, was ich tat. Glaubt mir, niemanden liebe ich mehr als Euch. Niemand außer Euch besitzt ein Recht an mir und meiner Seele. Euch gehöre ich für immer und ewig. Euch zu lieben ist mein ganzer Lebenssinn.«
    Der Bann brach. Leidenschaftlicher denn je zog Urban sie an sich, erwiderte hungrig ihre Küsse und Liebkosungen. Ohne sich zu besinnen, wo sie waren, versanken sie ineinander, glitten zu Boden und liebten sich auf dem kühlen Stein heißer denn je.
    21
    A nfang Mai brach sich der Frühling mit aller Gewalt endgültig Bahn. Hatten Dora und Urban ihre Reise nach Ragnit wetterbedingt nach Tapiau noch einige weitere Male unfreiwillig unterbrechen müssen, so hielt der Rückweg einen deutlichen Vorgeschmack auf den Sommer bereit. An Bäumen und Büschen sprangen die Blüten auf, Blätter und Wiesen leuchteten in frischem Grün. Der verführerische Duft raubte einem den Atem. Schmetterlinge tanzten durch die Luft, entfalteten ihre buntgemusterten Schwingen, um sie in der lachenden Sonne noch besser zur Geltung zu bringen. Überall surrte und schwirrte es vor Bienen. In tiefstem Blau wölbte sich der Himmel über dieses Treiben, üppig geschmückt von weißen Wolkenschiffen, die der Wind sacht vorübersegeln ließ.
    Auch am zweiten Tag seit ihrem Aufbruch aus Ragnit konnte Dora sich kaum sattsehen an der Frühlingspracht. Immer wieder reckte sie sich im Sattel, drehte den Kopf nach einem besonders schönen Falter und achtete kaum auf den Weg. Die wochenlange Reise hatte sie längst wieder ans Reiten gewöhnt. Die Schimmelstute, die Urban ihr im herzoglichen Marstall ausgesucht hatte, war gutmütig. In bedächtigem Tempo folgte sie dem Rappen des Wachmanns dicht vor ihr.
    Am Morgen hatten sie den Krug in Breitenstein verlassen, seither folgte die fünfköpfige Reisegruppe dem gemächlichen Lauf der Inster, die sich bald in kleineren und größeren Schwüngen südwestlich gen Insterburg ergoss. Die weißen Birkenstämme reichten bis nah ans Wasser, der weiche Boden war von kleineren Sträuchern und Büschen überwuchert. Die Sonne tupfte helle Lichtinseln auf das frühlingsfrische Grün und brachte die feinen Spinnennetze zum Glitzern, die sich zwischen Zweigen und Blättern spannten. Zeisige zogen ihre Bahnen, stießen im Flug ihr hart klingendes »tschett-tschett-tschett« aus, bald

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