Die Liebe des Highlanders
Drustan. Nevin schien unsicher zu sein. Hatte er beobachtet, wie die Irre Drustan verfolgte? Machte sich der Priester Sorgen um die bevorstehende Vermählung? Ich mache mir jedenfalls Sorgen, weiß Gott, dachte er grimmig.
»Es geht wieder einmal um meine Mutter ...«, begann Nevin und seufzte.
Drustan atmete befreit auf und entspannte sich. Es handelte sich nur um Besseta.
»Sie ist in letzter Zeit ziemlich durcheinander und spricht ständig davon, dass mir angeblich Gefahr droht.«
»Wieder eine ihrer Prophezeiungen?«, erkundigte sich Drustan. Gab es hier nur noch närrische Frauen, die Unheil voraussagten?
»Ja«, bestätigte Nevin bedrückt.
»Nun, wenigstens macht sie sich diesmal Sorgen um Euch. Vor zwei Wochen hat sie Silvan erzählt, dass mein Bruder und ich von Dunkelheit umgeben sind. Was soll Euch ihrer Ansicht nach zustoßen?«
»Das ist das Merkwürdige an dieser Sache. Sie scheint zu glauben, dass mir Eure Verlobte in irgendeiner Weise Schaden zufügen wird.«
»Anya?« Drustan lachte. »Sie ist erst fünfzehn Jahre alt. Und ich habe gehört, dass sie ein sehr fügsames Mädchen ist.«
Nevin schüttelte bedauernd den Kopf. »Mylord, es ist zwecklos, in ihren Weissagungen irgendeinen Sinn zu suchen. Meine Mutter ist nicht bei bester Gesundheit. Solltet Ihr meiner Mutter begegnen und sollte sie Euch mit ihrem närrischen Geschwätz belästigen, so seht es ihr bitte nach - es geht ihr mit jedem Tag schlechter. Der Weg zur Burg ist vermutlich zu beschwerlich und weit für sie; aber falls sie doch herkommt, bitte ich Euch, sanft mit ihr umzugehen. Sie ist krank, sehr krank.«
»Ich werde meinen Vater und Dageus vorwarnen. Macht Euch deswegen keine Gedanken, wir werden sie einfach nach Hause bringen, wenn sie durch die Gegend geistert.« Er nahm sich fest vor, freundlicher zu der alten Frau zu sein. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass sie so krank war.
»Ich danke Euch, Mylord.«
Drustan setzte seinen Weg fort, machte aber noch einmal Halt und sah zurück. Ihm gefiel Nevins philosophischer Geist; erstaunlich, dass der Priester die Hellseherei seiner Mutter mit dem eigenen Glauben in Einklang bringen konnte. Das erklärte vielleicht auc h die Toleranz, die er den Mac Keltar entgegenbrachte. Nevin lebte lange genug hier, um die Gerüchte zu kennen. Kirchenmänner waren meist strikt gegen heidnische Traditionen, doch Nevin strahlte ein aufrichtiges Verständnis aus, das Drustans Begriffsvermögen überstieg. »Sind ihre Weissagungen jemals eingetreten?«
Nevin lächelte heiter. »Falls ihre Eibenstöcke Wahrheiten offenbaren, dann nur, weil Gott auf diese Weise zu ihr spricht.«
»Ihr wollt sagen, dass sich heidnische Bräuche und Christentum miteinander vereinen lassen?«
Nevin dachte einen Augenblick nach. »Ich weiß, dass das nicht die allgemeine Ansicht ist. Nun, ich nehme tatsächlich keinen Anstoß daran, dass sie ihre Stöcke wirft. Aber sie glaubt, das Schicksal beeinflussen zu können. Das bereitet mir Kummer. Denn Gottes Wille wird geschehen.«
»Kann sie die Zukunft voraussehen oder nicht?«, hakte Drustan nach. Nevin wich den Fragen oft aus und legte sich ungern fest. Aber Drustan spürte, dass er damit nichts verheimlichen wollte - er war nur umsichtig und wollte niemanden verurteilen.
»Falls mir jemand ein Leid antun möchte, dann ist das Gottes Wille, und ich werde mich nicht gegen den Herrn auflehnen.«
»Mit anderen Worten, Ihr wollt mir nicht sagen, ob sie schon einmal Recht gehabt hat.«
Nevins Augen blitzten belustigt. »Mylord, Gott hegt keinen Groll gegen seine Geschöpfe und will ihnen nichts Böses. Er bietet uns Gelegenheiten. Es liegt alles im Auge des Betrachters. Meine Mutter ist voller Misstrauen, deshalb sieht sie unheilvolle Dinge. Haltet die Augen offen, Mylord, und erkennt die Möglichkeiten, die er Euch schenkt. Bewahrt Euch ein reines Herz, und ich bitte Euch, nutzt die Gaben, mit denen er Euch in seiner grenzenlosen Liebe bedacht hat, dann wird Euch seine Gnade nie verlassen.«
»Was meint Ihr mit >Gaben«
Wieder ein stilles Lächeln, wieder diese faszinierende Wachheit in den klaren, blauen Augen.
Drustan grinste unsicher und ging hinunter in die Große Halle.
Gwen war gerade in die Halle gekommen und hatte sich in einen Sessel fallen lassen, als er herunterkam.
Als er auf sie zukam, statt durch die Hintertür vor ihr zu fliehen, fiel sie vor Schreck fast vom Sessel. Ihr erster Impuls war, aufzuspringen und sich ihm an den Hals zu werfen wie ein
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