Die Liebe des Highlanders
Und sie wollte auch wirklich niemanden verletzen. Doch mittlerweile war ihr klar, dass sie jemanden unschädlich machen musste; sonst würde sie Nevin verlieren.
Sie wiegte sich vor und zurück, während der Nachmittag in den Abend überging, und kämpfte gegen die Dunkelheit in ihrem Herzen an.
Bei Einbruch der Dämmerung summten die Highlands vor Leben - Frösche quakten und Eulen schrien leise. Da hörte Besseta plötzlich Glöckchen klingeln, laute Stimmen und Pferdegetrappel in der Nähe des Cottage.
Sie stand auf, eilte zur Tür und öffnete sie einen Fußbreit.
Als sie die Karawane der Zigeuner sah, drückte sie die Tür bis auf einen Spalt zu; so konnte sie alles beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Sie fürchtete sich vor den lauten, wilden Zigeunern. Siebzehn bunt geschmückte Wagen, von tänzelnden Pferden mit grellbunten Seidendecken gezogen, rollten vorbei in Richtung Balanoch.
Nevin hatte ihr schon vor einiger Zeit erzählt, dass die Zigeuner jeden Sommer in der Nähe der MacKeltar-Länderei- en ihr Lager aufschlugen, ihre Waren auf dem Markt in Balanoch feilboten, die Zukunft voraussagten und sich unter die Bevölkerung mischten. Sie würden wild tanzen, große Feuer anzünden, und im nächsten Jahr kamen dann in Balanoch Kinder mit dunklen Augen und dunkler Haut auf die Welt.
Besseta schauderte, machte die Tür zu und lehnte sich dagegen.
Aber eine Idee nahm in ihrem Kopf langsam Gestalt an, und sie strengte sich an, ihre Ängste zu überwinden. Mit den dunklen Künsten der Zigeuner könnte sie das Unheil abwenden, ohne jemandem ein Leid zuzufugen. Nun ja ... jedenfalls nicht im wörtlichen Sinne. Die Zigeuner verkauften neben ihren normalen Waren Heilmittel, Zaubertränke, magische Sprüche und Verwünschungen. Diese Leistungen kosteten viel, aber Besseta wusste, wo Nevins illustrierte Bibel mit der Blattgoldverzierung lag. Mit dieser Bibel konnte sie alles bezahlen, was sie brauchte. Je länger sie nachdachte, umso besser gefiel ihr diese Lösung. Wenn sie die Zigeuner dafür bezahlte, dass sie den Laird mit einem Zauberbann belegten, würde sie ihm im Grunde kein Haar krümmen, sondern ihn lediglich ... ausschalten. Für unbestimmte Zeit. Damit Nevin in Sicherheit und Frieden leben konnte.
Das bedeutete, dass sie diese wilde Horde in ihrem sündigen Lager aufsuchen musste. Doch für ihren geliebten Nevin würde sie alles tun.
Silvan und Nell hatten ihren Horchposten fluchtartig in dem Moment verlassen, in dem Gwen Drustan freigelassen hatte.
Nell brauchte nicht weiter auszuharren, um zu wissen, was als Nächstes geschehen würde. Erstaunlich, dass die Tür nicht in Flammen aufgegangen war, als die beiden dieses intime Gespräch geführt hatten.
In blinder Hast folgte sie Silvan in sein Turmzimmer, wo sie beide keuchend nach der Hetzjagd über hundert Stufen auf seinem Bett zusammenbrachen.
Als sich Nells Herzschlag schließlich beruhigt hatte, stellte sie bestürzt fest, dass sie ungeniert auf dem Bett des Laird saß. Neben ihm! Sie ma chte Anstalten, von ihm abzurü cken.
Doch seine kräftigen Hände umfassten ihre Taille und hielten sie zurück. Dann zwang er sie, ihn anzusehen. Seine blauen Augen leuchteten voller Liebe, als er ihren Blick hielt. Und in ihren braunen Augen glitzerten kleine goldene Flecke.
Langsam, ganz langsam, um ihr ausreichend Zeit zu geben, sich von ihm wegzudrehen, senkte er seine Lippen auf ihre.
Nell stockte der Atem. Zwölf lange Jahre waren vergangen, seit sie zum letzten Mal einen Mann geküsst hatte. Erinnerte sie sich überhaupt noch, wie man das machte?
»Es ist lange her, dass ich ein Mädchen geküsst habe, Nel lie«, sagte Silvan heiser, als spürte er ihre Furcht. »Ich bitte dich, hab Geduld mit mir. Möglicherweise musst du mir die feine Kunst des Küssens erst ins Gedächtnis zurückrufen.«
Plötzlich entwich die Luft aus ihrer Lunge, und sie ächzte leise. Sein Geständnis erstickte ihre Angst. In all den Jahren in der Burg Keltar hatte sie nie beobachtet, dass Silvan um eine Frau warb. Sie war der Ansicht gewesen, dass er seine männlichen Bedürfnisse mit äußerster Diskretion befriedigte und dafür vielleicht ins Dorf ging. War es möglich, dass er die ganze Zeit ebenso allein wie sie gewesen war? Sie wollte ihn danach fragen, brachte jedoch kein Wort über die Lippen.
Er las die Gedanken in ihren Augen. »Seit dem Tod meiner Frau, Nellie.«
Sie schnappte nach Luft.
»Würdest du einen so wenig erfahrenen Mann küssen?«,
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