Die Liebe des Kartographen: Roman
Was empfand Xelia für ihn? Und warum tat ihm bei dem Gedanken an sie einmal das Herz so weh, und ein anderes Mal wieder wollte es vor Leichtigkeit beinahe davonfliegen? Philip seufzte und fing Adalberts Blick unter hochgezogenen Brauen ein.
Adalbert hielt inne. »Was grübelst du schon wieder?«, fragte er mit freundlicher Stimme.
Philip zuckte mit den Schultern. »Ach, eigentlich ist es nichts. Ich habe nur daran denken müssen, wie völlig anders mein Besuch in Ulm nun verläuft, als ich ihn mir vorgestellt habe.«
Xelias Blick huschte wie ein scheuer Vogel an ihm vorüber und verlor sich in der kahlen Winterlandschaft.
Sofort verspürte Philip ein Drücken im Bauch. Was war er für ein Trottel! Hatten diese Worte denn schon wieder sein müssen?
Doch Adalbert hatte den Faden bereits aufgegriffen. »Wahrscheinlich hattest du eine Menge Besuche geplant. Bei Selzlin zum Beispiel.«
»Woher weiÃt du das?«
Adalbert grinste. »Ich kenne doch meinen besten Schüler. Der würde doch nie eine Gelegenheit auslassen, einen der besten Kartenzeichner unserer Zeit mit Fragen zu durchlöchern, bis der Arme aussieht wie ein ameisenzerfressenes Blatt!«
»Ja, es hätte mich schon interessiert, was aus Johann Selzlin geworden ist«, gab Philip nun mit etwas weniger schlechtem Gewissen zu. »Irgendwie hätte ich versucht, die Wahrheit aus ihm herauszulocken, ob er nun wirklich der Verfasser der württembergischen Landkarte von 1558 ist, wie ich es seit langem vermute.«
»Tja, es scheint, als müsstest du dich noch ein Weilchen mit deinen Spekulationen zufrieden geben.«
»Aber wenn wir doch sowieso zur Ulmer Poststation gehen, könntest du deinen Freund doch besuchen?«, fragte Xelia scheu.
Philip schaute sie an. »Das geht wohl kaum. Aber es ist mir auch nicht so wichtig, glaube mir. Johann Selzlin läuft mir nicht davon. Dazu schwelgt er viel zu gerne in seinen Ulmer Stadtmalereien.« Die beiden Männer lachten.
»Wir werden Ulm gar nicht betreten«, klärte Adalbert Xelia auf. »Ein Besuch in der Stadt wäre für uns beide viel zu gefährlich. Die Poststation liegt auÃerhalb der Stadtmauern, damit die Postreiter nicht auf die Ãffnungszeiten der Stadttore angewiesen sind, sondern ihres Weges kommen und gehen können, wann immer es ihnen beliebt. Und wir auch«, versuchte er einen Scherz.
Philip blieb stehen. Xelias verschlossene Miene machte ihm sehr zu schaffen. Es war höchste Zeit, das Thema zu wechseln, wenn er nicht wollte, dass sie sich weiterhin wie ein Klotz an seinem Bein fühlte. »Es gibt noch Dutzende von Fragen, die wir klären müssen, bevor wir nach Tirol aufbrechen. Eine solche Reise will normalerweise Monate zuvor geplant sein. Noch dazu, wenn man sie zur Winterszeit bewältigen will.« Sobald er anfing, über ihre Leichtfertigkeit nachzudenken, wurde ihm ganz schlecht. Aber sie hatten keine Zeit zu planen, eine Flucht konnten sie nur so schnell als möglich antreten â¦
»Zum Beispiel frage ich mich, ob wir ein zweites Pferd brauchen. Und wenn ja, wovon wir es bezahlen sollen.«
»Und? Hast du schon eine Antwort auf die Frage?«
Philip warf einen kurzen prüfenden Blick zu dem Ãlteren hinüber. Hörte er da einen Hauch von Ironie in dessen Stimme? Angesichts von Adalberts argloser Miene entspannte er sich. Es schien wirklich nur sein Rat als Kartograph gefragt zu sein, Adalbert konnte ja nicht wissen, dass er die vor ihnen liegende Strecke keinen Deut besser kannte als die beiden andern!
Philip zuckte mit den Schultern. »Hätten wir einen zweiten Gaul, könnten wir groÃe Wegstücke reitend bewältigen, was uns einen zeitlichen Vorteil bringen würde. Und nicht nur das: Unser Weg ist weit und ermüdend, wir werden sowieso nicht unentwegt zu Fuà gehen können. Andererseits: Ein zweites Pferd bedeutet doppelte Kosten. AuÃerdem lassen sich manche Wegstücke zu Fuà vielleicht sogar besser zurücklegen als zu Pferd. Aber das hängt ganz von den Schneeverhältnissen ab. Und die will ich erst in Söflingen erfragen. Die Postillione werden schon wissen, womit wir rechnen müssen.«
Adalbert kratzte sich seinen Bart.
»Hast du dich eigentlich schon mal gefragt, ob Alois den weiten Weg nach Tirol überhaupt schafft?«, wollte Xelia wissen.
Philip starrte sie an. Konnte sie Gedanken lesen? Im Stillen hatte er
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