Die Liebe des Kartographen: Roman
sich diese Frage schon gestellt, doch hatte es ihm an Mut gefehlt, sie laut auszusprechen. Wenn Alois zu alt und schwach für den Weg war, würde das bedeuten, dass sie zwei neue Pferde bräuchten. An die Kosten wollte er gar nicht denken â¦
»Ich glaubâ nicht, dass der Gaul es bis Tirol durchhält«, nahm Xelia ihm die Antwort ab. Sie legte dem Pferd ihreHände seitlich an den groÃen, langen Schädel. Neben seiner grobschlächtigen Gestalt wirkte sie noch zierlicher. Vertrauensvoll blies der Gaul seinen warmen Atem gegen ihren Leib. Seine Augen waren weit aufgerissen, als wüsste er, dass über ihn gesprochen wurde.
»Wenn das Pferd wirklich schon so alt ist, wie ihr sagt, dann wäre es uns wohl auf der Reise nur hinderlich.« Adalbert musste seinen Blick von Xelia abwenden, angesichts ihrer Zuneigung für das Tier hätte er nicht die Kraft zum Weiterreden gefunden. »Es wäre niemandem gedient, wenn das Vieh irgendwo in den Bergen zusammenbricht und stirbt, oder?« Keiner antwortete. In dem Bewusstsein, Philip eine unangenehme Entscheidung abzunehmen, fuhr Adalbert fort. »Wahrscheinlich wäre es das Beste, du lässt das Tier zurück.« Ob des Schweigens ringsum wurde seine Stimme ärgerlich. »In der Poststation nehmen sie doch Pferde auf, oder?« Warum sagte Philip nichts?
Philip nickte nur. Das viele Gerede um ein Pferd wurde ihm fast schon zu viel. Eigentlich hatte Alois ihm doch von Beginn seiner Reise an nur immer wieder Arger bereitet, oder? Und nun sollte er sich seinetwegen den Kopf zerbrechen?
Wie auf Kommando hob Alois seinen Kopf und linste zu Philip hinüber. Er fühlte sich auf einmal wie ein Verräter.
»Von der Poststation könntest du Alois auf deinem Rückweg wieder abholen. Aber vielleicht nehmen sie ihn dir auch im Tausch gegen ein anderes ab.«
Xelias Blick bohrte sich fragend in seine Augen. Er gab sich einen Ruck. »Alois bleibt die Wintermonate über in Söflingen. Und selbstverständlich werde ich ihn dort wieder abholen.« Kaum hatte er diese Entscheidung getroffen und- ausgesprochen, sah er Xelias Blick davonfliegen wie einen Vogel, der zufrieden einen Schnabel voll feinster Wolle für seinen Nestbau davonträgt. Er wusste nicht, warum, aber er hatte das seltsame Gefühl, von ihr auf eine Probe gestellt worden zu sein. Und bestanden zu haben.
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A lso gut, gehen wir nochmals alles durch.« Philip blickte von Xelia zu Adalbert. »Unsere Route steht fest. Morgen früh starten wir von hier in Richtung â¦Â«
Xelia hörte sich einen langen, zufriedenen Seufzer ausstoÃen. Philip war in seinem Element. Etwas zu planen, von Anfang bis Ende durchzugehen, das war seine Angelegenheit. Xelia konnte seine diesbezügliche Leidenschaft nicht verstehen. War es nicht meistens so: Da plante man etwas lang und mühselig â und am Ende musste man zusehen, wie das Schicksal einem einen Strich durch die Rechnung machte. Oder ging es immer nur ihr selbst so, und in Philips geordnetem Leben galten andere Regeln?
Während sie sich bemühte, bei Philips Aufzählung ihrer Reiseroute ein interessiertes Gesicht zu machen, warf sie immer wieder einen verstohlenen Blick durch das Wirtshaus. Es tat so gut, nach den langen Wochen in der Höhle, nach den kalten Quartieren in Scheunen und abgelegenen Heuschobern endlich wieder einmal in einem aus dicken Backsteinen gemauerten Haus zu sitzen, in dem ein Ofen für Wärme und Ãllampen für Licht sorgten! Es hätte nicht viel gefehlt, und Xelia hätte geschnurrt wie eine Katze.
Nachdem Philip in der Söflinger Poststation seine Nachricht für den Herzog auf den Weg gebracht hatte, war er mit Alois in den Mietstall gestapft, der hinter dem Hauptgebäude dessen ganze Längsseite einnahm. Für einen nicht geringen Preis hatte er mit dem Stallmeister vereinbart, Alois im kommenden März wieder abzuholen. Nach einem Blick auf den alten Gaul hatte der Mann das Stallgeld für die ganzen vier Monate im Voraus verlangt, als ob er befürchte, das Vieh werde den nächsten Tag nicht überleben. Seine Miene hatte sehr deutlich ausgedrückt, was er davonhielt, einen Schlachtgaul für nichts und wieder nichts einen ganzen Winter lang durchzufüttern, doch angesichts des Geldes und Philips herzöglichem Passierschein hatte er seine Meinung für sich behalten. Danach war Philip in den nebenliegenden
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