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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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zurückgeblieben von seinem Bruch. Plötzlich überfiel ihn ein unbekanntes Glücksgefühl.
    Alles würde gut werden. Adalbert Hyronimus’ Plan würde Xelia in Sicherheit bringen – und Adalbert selbst natürlich auch. Tirol – ein fremdes Land. Dass er darauf nicht selbst gekommen war! Philips Mundwinkel kräuselten sich ärgerlich. Ihm, dem Kartographen, war es nicht in den Sinn gekommen, über den Rand seiner Landkarte hinwegzuschauen. Da musste Adalbert aus seinem Spital daherspazieren und ihm das vormachen! Ein Schnaufer presste sich durch seine zusammengekniffenen Lippen. Doch gleich darauf zwang er sich zum Durchatmen. Er war ja so froh, dass sie überhaupt eine Lösung gefunden hatten, was machte es da aus, wer auf den rettenden Gedanken gekommen war?
    Mit dem ersten Tageslicht waren sie in Richtung Süden aufgebrochen. Wenn alles glattlief, würden sie spätestens übermorgen vor den Toren Ulms, in der Söflinger Poststation, eintreffen. Von dort aus wollte er eine Botschaft nach Stuttgart schicken und den Herzog davon in Kenntnis setzen, dass er die Winterzeit dieses Jahr in Meran, einem kleinen Ort in Tirol, verbringen würde. Selbstverständlich würde er sich dort ausschließlich der Bearbeitung seines bis dato angesammelten Kartenmaterials widmen – daswollte er ebenfalls schreiben. Nicht, dass der Herzog auf den Gedanken kam, er, Philip, würde sich auf eine Lustreise machen. Das Leben des Landesfürsten selbst glich zwar einer einzigen endlosen Lustreise, doch das hieß nicht, dass Herzog Ludwig den Müßiggang auch bei seinen Beamten tolerierte. Philip würde ihm daher außerdem von seinem Beinbruch und der daraus resultierenden Arbeitsunterbrechung schreiben müssen. Und dass er alles daransetzen würde, die verlorene Zeit wieder gutzumachen. Nein, so wollte er das nicht schreiben. Das hörte sich ja an, als ob er eines der herzöglichen Rennpferde wäre! Er würde schreiben – dass die warme Witterung Tirols, oder besser gesagt Merans, seinem genesenen Bein hilfreich sein würde. Das war gut! Aber wenn er etwas tiefer in sich hineinhörte, stellte Philip fest, dass es ihm im Augenblick ziemlich gleich war, was der Herzog oder sonst jemand in Stuttgart von seinen Plänen hielt. Er erschrak ein wenig bei dieser Erkenntnis, aber es war doch so: Stuttgart war weit. Und Xelia war nah. So nah, dass er ihren weichen Leib Nacht für Nacht spüren konnte. Und ihre schlanken Schenkel, die so viele Geheimnisse umschlossen, dass Philip glaubte, sie niemals völlig ergründen zu können. So nah, dass er ihr Haar im Dunkeln glänzen sah wie aus Silber gegossen. So nah, dass er mit dem süßen Kräuterduft, der von ihrer Haut aufstieg, einschlief und am nächsten Morgen aufwachte. Er verbot sich jeden Gedanken daran, was geschehen würde, wenn sie erst einmal in Tirol bei Adalberts Bruder angekommen waren. Sich von Xelia zu trennen erschien ihm als etwas Unmögliches, wofür sein Auffassungsvermögen nicht ausreichte. Sicher würde ihm die rettende Idee für die Zukunft noch kommen. Er hatte einen ganzen Winter lang Zeit dazu. Vielleicht würde ihnen das Schicksal doch noch weiterhelfen? Es war doch eigentlich gar nicht so abwegig, dass der wahre Mörder des Tuchhändlersohnes gefasst wurde, oder? Vielleicht würde Xelias Vater sich durch eine Unachtsamkeit verraten? Im Suff erzählt einTor die Wahrheit, so hieß es doch. Und dann? Xelia würde ungehindert mit ihm im Land herumreisen, sie würde kommen und gehen können, wie es ihr beliebte. Ja, die Zukunft sah wirklich gar nicht so düster aus wie noch vor ein paar Tagen. Er klopfte auf Alois’ Hals.
    Xelia schaute sich kurz zu ihm um und lächelte ihn an. Dann wandte sie sich wieder Hyronimus zu. Philip schüttelte den Kopf. Die beiden redeten wie ein Wasserfall. Dass Xelia so geschwätzig war, hätte er nie gedacht! In der Höhle hatte ein halber Tag vergehen können, ohne dass sie ein Wort miteinander gewechselt hatten. Und es war keine peinliche Stille gewesen, dieses Schweigen. Zumindest hatte er es nie so empfunden. Aber Xelia vielleicht? Er spürte, wie das Glücksgefühl von zuvor verdampfte wie Wasser in einem Kessel, den man über dem Feuer vergessen hatte. Fragen, für die er keine Worte finden konnte, drängten sich an seine Stelle, wühlten sein Innerstes auf.

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