Die Liebe des Kartographen: Roman
sich verkleidet, könnte sie als mein Knecht gelten und unerkannt bleiben. Nur wie lange? Es würde doch jeden Tag die Gefahr drohen, dass sie entdeckt wird. AuÃerdem frage ich mich: Was wäre das für ein Leben?« Er schaute zu ihr hinüber. »Du hast Besseres verdient.« Seine Stimme war leise und sanft geworden, und sein Blick so schmerzerfüllt, so zerrissen von einem inneren Kampf, dass Hyronimus erst einmal eine Erwiderung schuldig blieb. Stumm nickte er seine Zustimmung.
Im nächsten Moment hatte Philip sich wieder gefangen.
»Warum lässt du mich nicht auch einmal etwas sagen?«, fauchte Xelia ihn an. »Wie kommst du überhaupt auf den Gedanken, dass ich einen von euch beiden brauche?« Sie war so aufgeregt, dass die Ader auf ihrer linken Halsseite hervortrat. Der Gedanke, sich Hals über Kopf von Philip trennen zu müssen, tat weh. Aber dass er über sie sprach, als hätte sie keinen Kopf zum Denken, gefiel ihr nicht. Und sein mitleidsvoller Ton passte ihr auch nicht. Sie war nicht dümmer als die beiden Männer, und sollten sie zusammen weiterreisen, dann wurde es dringend Zeit, dass beide das verstanden! »Ich bin im Wald allein zurechtgekommen, also kann ich das in der Stadt ebenso«, tat sie trotzig kund. »Mir ist niemand was schuldig, weder du noch Adalbert!«
Hyronimus nickte Xelia geistesabwesend zu. Doch seine nächste Frage richtete er an Philip: »Und wie stellst du dir unsere gemeinsame Zukunft vor?«
Gewillt, den Hauch von Ironie in Adalberts Worten zu überhören, zuckte Philip mit den Schultern. »Wenn ich das wüsste! Ich weià nur eines: Ich muss dringend eine Nachricht nach Stuttgart schicken. Dort werde ich schon längst erwartet.« Er erläuterte Hyronimus seinen ursprünglichen Plan, alljährlich sein Winterquartier in Stuttgart aufzuschlagen, um dort seine Karten ins Reine zu zeichnen.
»Und wenn du Xelia nach Stuttgart mitnehmen würdest?«, hakte Hyronimus nach.
Philip sagte keinen Ton, doch sein Blick sprach Bände. Das war für ihn die Letzte aller Möglichkeiten.
Hyronimus erkannte dies sofort und lenkte hastig ein: »Stuttgart als der Herzogssitz, das ist wohl keine gute Lösung â¦Â« Wie konnte er nur! Philips Verwandte würden Augen machen, wenn er eine Gerberstochter von der Schwäbischen Alb anbrachte! Sie würden Xelia schmähen wie eine Aussätzige â etwas anderes würde sie nie sein im Kreis erlauchter Stuttgarter Beamtenhaushalte. Und wahrscheinlich würde ihr Auftauchen auÃerdem eine Menge unangenehmer Fragen aufwerfen, an denen Xelia keinesfalls gelegen sein konnte.
Die Stille dehnte sich zwischen ihnen aus wie Herbstnebel. Adalbert schalt sich für seine voreiligen Worte. Andererseits: Die beiden schienen sich zu mögen. Den Geräuschen nach zu schlieÃen, die er nachts von ihrem Lager gehört hatte, waren sie sogar ein Paar. Philip, der Kartograph, und Xelia, die Heilerin. Das erinnerte ihn schmerzhaft an alte Zeiten, als er selbst ⦠Aber das war vorbei, für immer und ewig. Es kostete ihn einige Anstrengung, diese Gedanken abzuschütteln und sich wieder den Fragen zu widmen, die hinter seiner Stirn brannten wie kleine Fegefeuer. Ein Blick in Philips gequältes Gesicht verriet ihm, dass auch der Jüngere krampfhaft darüber nachgrübelte, was das Schicksal wohl mit ihnen vorhatte.
Philip. Er hatte seinen ehemaligen Schüler als brillanten Gelehrten in Erinnerung, der für seine Leidenschaft, die Kartographie, alles zu geben bereit war. Aber er wusste nicht, wie weit Philips Zuneigung zu Xelia ging und was er für sie zu tun bereit war.
Und du? , hörte er eine giftige Stimme in seinem Inneren. Wo stehst du, wenn es um das Schicksal des Mädchens geht, das dir zur Flucht verholfen hat?
Aber da ist auch Wilhelm Pfeiffer. Da sind die Aussätzigen, die nun nicht einmal mehr einen Arzt haben. Was ist mit ihnen? , entgegnete eine andere Stimme genauso laut.
Der Entschluss, den es zu fassen galt, war jedoch keine wissenschaftliche Angelegenheit, die er nach logischen Gesetzen diskutieren und ausloten konnte. Genau das hatte er schon einmal versucht â lange war es her â, und er war so kläglich damit gescheitert, dass ihn die Erinnerung daran noch heute schmerzte. Er biss sich auf die Lippe.
Wieder schaute er zu den beiden anderen hinüber. Xelia war inzwischen aufgestanden
Weitere Kostenlose Bücher