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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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hier einen Bären aufbinden? Er hatte schon zu viele Bierreden abenteuerlicher Natur hören müssen, die nichts waren als ein aufgeblähter Sack voller heißer Luft, als dass ihm diese hier auch nur das Zucken einer Augenbraue abgerungen hätte. In jedem Wirtshaus war es dasselbe, und stiegen Fuhrleute dort ab, oder war der Wirt gar selbst ein ehemaliger Postreiter oder Fuhrmann, dann erklangen die Reden noch verwegener als anderswo.
    Jaques Mewrzig lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er schien die Wichtigkeit seiner Person zu genießen. »Die Seide ist dazu bestimmt, das herzögliche Schloss von oben bis unten mit dunkelblauen Stoffbahnen auszukleiden.«
    Â»Dazu muss es feinste Seide aus der Provinz Sian sein«, erzählte der Mann, der neben Jaques saß, in affektiertem Ton. »Die wollen ihre feinen Ärsche nicht auf raues Leinen betten, Gott behüte!« Die andern lachten. »Vielleicht ist aber auch die Braut selbst so hässlich, dass der Bräutigam es für angebracht hält, sein Schloss vor ihrer Ankunft zu verdunkeln.« Abermals Gelächter. Der Schankknecht, der gerade vorüberlief, ließ einen geräuschvollen Furz, als wolle er so seine Meinung zu dem ganzen Zinnober kundtun. Daraufhin brüllten die Männer erneut los, klopften sich auf die Schenkel und schlugen ihre Bierkrüge so heftig aneinander, dass Xelia erschrocken zusammenzuckte.
    Als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatten und ihre trockenen Kehlen mit Bier anfeuchteten, nutzte Adalbert den Moment. »Das hört sich ja recht abenteuerlich an. Andererseits denke ich, dass unser Mann hier« – er nickte Mewrzig zu – »sehr wohl weiß, was er sich zumuten kann.«
    Jaques’ Miene deutete an, dass er sich dessen gar nicht so sicher war, doch er sagte nichts. Adalbert fuhr fort: »Eines interessiert mich jedoch brennend: Von dem sicherlich fetten Gewinn einmal abgesehen, den so eine Reise einbringt-warum nimmst du diese Strapazen auf dich?«
    Die andern verstummten. Diese Frage hatte noch keiner gestellt. Zu viele Gründe für tolldreiste Fahrten gab es im Fuhrgewerbe, als dass einer mehr oder weniger einen Unterschied gemacht hatte. Geldnot, Geldgier, Abenteuerlust oder schiere Verzweiflung – wen kümmerte es schon, warum man auf dem Bock saß, ein Paar Rösser vor sich oder auch ein Vierergespann? Hauptsache war doch, dass man unterwegs war! Was hätte man auch zu Hause in den engen Gassen innerhalb der Stadtmauern anfangen sollen? Adalbert schienen sie die Frage jedoch zu verzeihen, er war schließlich keiner von ihnen.
    Jaques kratzte sich am Bart. Xelia, die ihn die ganze Zeit unter gesenkten Lidern hervor beobachtet hatte,schätzte ihn etwas älter ein als Philip. Er war alles in allem ein schmaler Mann, doch dafür war er groß, selbst im Sitzen ragte er über alle anderen Köpfe hinweg. Sein Gesicht war recht gewöhnlich, und wäre sie ihm am nächsten Tag in einem anderen Gasthaus begegnet, hätte Xelia Mühe gehabt, ihn wieder zu erkennen. Vielleicht hatte diese Unscheinbarkeit jedoch ihre Vorteile bei einem Leben in der Fremde, sagte sie sich. Wem sollte schon daran gelegen sein, überall sofort als Fremder aufzufallen?
    Als Jaques antwortete, sprach er mit Bestimmtheit und einem nicht zu überhörenden Ehrgefühl. »Seit mehr als fünf Generationen ist meine Familie Hoflieferant. Meine Ahnen haben schon Seide, Gewürze und Silberwaren an die jeweilige Herrscherfamilie geliefert, als diese noch keine Herzöge, sondern einfache Grafen waren.« Er schaute von einem zum andern, als wolle er sich vergewissern, dass er niemanden mit seiner Ausführung langweilte.
    Xelia gefiel der Mann. Er schien eine ehrliche Haut zu sein, ein einfacher Kerl, nicht so kompliziert wie Philip und nicht so schlagfertig wie Adalbert, doch man tat wahrscheinlich gut daran, ihn nicht zu unterschätzen. Wie sein unscheinbares Äußeres konnte auch sein schlichtes Auftreten durchaus seine Art sein, seinen Platz im harten Gewerbe der Fuhrleute und Kaufleute zu behaupten und nicht unnötig den Neid anderer auf sich zu ziehen.
    Â»Wenn es mir nicht gelingt, die Seide zu beschaffen, werden die Mewrzigs für immer von der Liste der Hoflieferanten gestrichen.« Er schaute von einem zum andern. »Bei allem, was mir heilig ist, werde ich das zu verhindern versuchen. Mir geht

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