Die Liebe des Kartographen: Roman
erneut auf den Tisch. »Dann wette ich mit dir selbst!« Sein Gegenüber grinste ihn undurchsichtig an. Der Mann, um den es die ganze Zeit ging, hatte bisher noch kein einziges Wort gesagt. Der andere knallte einen kleinen Stapel Münzen auf den Tisch. »Die hinterlege ich beim Postwirt. Wenn es dir gelingt, bis zum Frühjahr hier wieder vorbeizukommen â und zwarmit einem vollbeladenen Wagen â, dann gehören meine zwanzig Taler dir! Wenn nicht, hole ich sie mir wieder ab.« Er lachte, und sein Gesicht war rot vom Wein und der Aufregung. »Das ist mir der Spaà wert.«
Adalbert drehte sich zu den Männern um. »Darf man fragen, um was es bei eurer Wette geht? Das hört sich weitaus spannender an als unsere eigenen Tischgespräche.« Bei jedem anderen hätten solche Worte anbiedernd geklungen, bei Adalbert hörten sie sich ehrlich und freundlich an.
Sechs Augenpaare starrten zu ihm und Xelia und Philip herüber. Xelia merkte, wie Philip sich verkrampfte. Er setzte sich aufrecht hin, verschränkte seine Arme vor der Brust. Unter dem Tisch knuffte Adalbert sie beruhigend in die Seite. Aber die Männer, die nun zusammenrückten, um Platz für die drei Fremden zu machen, schienen alle nicht feindlich gesonnen zu sein. Xelia war die Ruhe selbst. Sie hatte zwar ein seltsames Gefühl, gleichsam wie eine Vorahnung ⦠Doch was es auch sein mochte, sie wusste tief drinnen, dass es nichts Schlechtes war und dass sie keine Angst zu haben brauchte.
~ 48 ~
E s ging um Geld. Aber auch noch um mehr, sollten sie bald erfahren. Um die Ehre einer ganzen Kaufmannsdynastie. Im Mittelpunkt der Wette stand Jaques Mewrzig, ein Kaufmann aus Lüttich. »Das liegt an der Maas«, flüsterte Adalbert Xelia zu. Als ob sie dadurch schlauer wurde! Und wo liegt die Maas, bitte schön? Doch statt nachzufragen, wovor sie sich sonst nicht scheute, zog sie ihren Hut tiefer ins Gesicht und lehnte sich zurück. Die Fremden sollten sie nicht als Weib erkennen, deshalb besann sie sich aufs Zuhören.
Was dieser Jaques Mewrzig vorhatte, brachte ihm nicht nur die Wette, sondern auch den Spott, die Ungläubigkeit und das Kopfschütteln der anderen Fuhrleute ein. Xelia sah zudem einen Funken Abenteuerlust, vielleicht auch etwas Neid in manchen Blicken aufblitzen. Der Kaufmann wollte zu einem fernen Ort namens Schahrud fahren, dort eine Ladung Seide kaufen und mit dieser zurück nach Lüttich reisen â und das alles innerhalb der nächsten sechs Monate.
»Schahrud liegt auf dem halben Weg der SeidenstraÃe«, erklärte einer der Männer mit einem Kopfschütteln. Als Adalbert mit den Schultern zuckte, sprach er weiter. »Das heiÃt, unser Kaufmann muss nicht nur das ganze Römische Reich durchqueren, übers Mittelmeer setzen und mehr als die Hälfte des Parthischen Reiches durchreiten, sondern die gleiche Strecke auch noch zurück nehmen!«
»Ich habâ eine ähnliche Reise schon mal gemacht und ein ganzes Jahr dazu gebraucht«, ergänzte der Nebenmann von Jaques, ein gepflegter, kräftiger Mann mit tiefer Stimme. »Und ich hatte die ganze Strecke Begleitschutz!« Er schaute in die Runde. »Wer weiÃ, ob wir sonst überhauptheil zurückgekommen wären. Ab Rom haben es die StraÃen in sich, da wartet hinter jeder Kurve eine neue Ãberraschung auf dich.« Die andern murmelten zustimmend.
»Und warum die Eile?«, hörte Xelia Philip fragen.
»Die habe ich mir nicht ausgesucht«, antwortete nun Mewrzig zum ersten Mal selbst. Er zuckte mit den Schultern, und es lag mindestens so viel Abgebrühtheit in dieser Geste wie Gottergebenheit. »Die Hochzeit unseres Landesfürsten ist für den kommenden Mai geplant. Die Herrschaften wollen feiern, wenn die StraÃen für alle Gäste aus weit und fern passierbar sind.« Seine Stimme war weich, sein Tonfall fremd, aber sehr melodisch. »Sein Entschluss, die Tochter des Grafen Montclair zu heiraten, kam recht überraschend, wenn man die jahrelangen politischen Ränkeleien zwischen den beiden Familien betrachtet.« Er winkte ab. »Politik â¦, ihr wisst ja.«
Die andern nickten wieder. Es war doch überall dasselbe: Die Obrigkeit pfiff- und ihresgleichen hatte zu springen.
»Und was hat die Hochzeit eines Landesfürsten mit einer Ladung Seide zu tun?«, fragte Philip, leicht gelangweilt. Wem wollten die Männer
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