Die Liebe des Kartographen: Roman
Gasthöfe!
»Und dann gibt es noch die Silberminen.«
»Silberminen? Hier?« Erklärte das die vielen Männer? Jaques nickte und stieà einen Fluch aus, als ein Junge mit zwei Gänsen unterm Arm, ohne zu schauen, über die Gasse rannte, so dass die beiden vorderen Pferde vor Schreckscheuten. Als er sie wieder beruhigt hatte, sprach er weiter: »Die Silberminen sind heute nicht mehr viel wert, ausgeraubt bis zum Letzten wahrscheinlich. Aber mein UrgroÃvater erzählte mir, dass in seiner Jugend Zehntausende Menschen hierher kamen, um etwas vom Silber abzukriegen. Meine Familie hat damals regelmäÃig Fahrten nach Sterzing unternommen, um von den Fuggern fertig gegossenes Silber zu kaufen. Die Augsburger besaÃen nicht nur Dutzende von Silbergruben hier in der Gegend, sondern lieÃen ihr edles Metall auch noch gleich an Ort und Stelle einschmelzen. Das sind Kaufleute, kann ich dir sagen!«
»Das erklärt natürlich vieles!«, meinte Philip. »Kaum ist eine Stadt reich an Bodenschätzen, zieht sie auch andere Gewerbe an wie der Honig die Bienen.« Er zeigte auf einen groÃen Laden, in dem es dem Anschein nach von der Nähnadel bis zur Pferdekutsche alles zu kaufen gab.
»Und darunter nicht nur ehrenhafte!« Jaques grinste und wies mit dem Kinn auf die andere StraÃenseite, wo ein paar Weiber mit nackten Armen aus einem Fenster herausschauten.
Ein Hurenhaus. Philip lachte mit ihm. Wenn er daran dachte, wie er beim Anblick der käuflichen Weiber damals in Anstetten vor Entsetzen die Backen aufgeplustert hatte!
Zum Abschied nahmen sie in einem Wirtshaus gemeinsam mit dem Fuhrmann ein letztes Mahl ein â Vinschgerl, eine Art Fladenbrot, dazu Käse und Schmalzgebackenes, das die seltsame Bezeichnung Türtln trug.
»Nun habt ihr mir doch nicht helfen müssen!«, sagte Jaques zwischen zwei Bissen Fleisch. »Weder die Kartenkenntnisse noch die Künste eines Arztes waren mir von Nutzen. Und euer Knecht â¦Â« Er zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: Euer Knecht taugt zu rein gar nichts! Dann nahm er einen Schluck Bier â weder Philip noch Adalberthatten sich getraut, angesichts Jaquesâ heftiger Abneigung gegen Wein einen Krug davon zu bestellen â und grinste. »Aber gestört habt ihr mich auch nicht!« Dann wischte er sich die Hände an der Hose ab und packte seine Sachen zusammen. Während des Essens hatte er immer wieder aus dem Fenster nach seinen Pferden geschaut, die er nur sehr ungern hinter dem Wirtshaus angebunden hatte. Nun wollte er zu ihnen zurück.
»Na, dann istâs ja gut«, antwortete Philip. Er wusste bei dem Kaufmann nie, wann dieser einen Scherz machte und wann es ihm ernst war.
»Und wie gehtâs jetzt bei dir weiter?«, wollte Adalbert wissen.
»Wie bisher auch.« Jaques zuckte mit den Schultern. »Fahren, fahren, fahren. Wenn ich die Alpen erst einmal hinter mir habe, gönne ich den Pferden in Bozen ein paar Tage Ruhe. Die Wochen danach werden weniger anstrengend, weil die Strecke bis Rom und auch danach topfeben ist.«
»Und hast du keine Angst vor Ãberfällen? Nicht überall ist so viel los wie hier auf dem alten Krönungsweg nach Rom. Was ist, wenn du in eine einsame Gegend kommst und dir Wegelagerer auflauern?« Bei Adalberts Worten schaute nun auch Xelia auf, die sich in die dunkelste Ecke der Bank verzogen hatte.
»Ich habe keine Angst.« Jaques verzog den Mund. »Es sieht doch ein Blinder, dass bei mir nichts zu holen ist. Und auf der Heimreise werde ich Schutz haben, da sei dir gewiss.«
»Und welchen, wenn ich fragen darf?« Fast rechnete Philip damit, der Fuhrmann würde nun etwas von Leibeigenen faseln, die er zu seinem Schutz kaufen würde. Sehr zimperlich, was den Umgang mit anderen anging, war er schlieÃlich nicht. Doch Jaques hatte andere Pläne, über die er bereitwillig Auskunft gab: »In Schahrud gibt es nicht nur feinste chinesische Seide, sondern auch Hunde, die so groà sind wie Bären.« Er warf einen verächtlichen Blick auf Lola, deren Kopf auf Xelias FüÃen ruhte. »Die haben Hunde, deren Schädel sind so riesig wie von Ebern. Sie sind eigentlich von ganz ruhiger Natur, aber sie wissen ihren Herrn mit Leib und Leben zu verteidigen. Und wenn sie einmal zupacken, lassen sie nicht mehr los.« Er setzte sich noch einmal und nahm noch einen Schluck. »Vier von den
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