Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
sitzen – es konnte ja womöglich noch ein Brocken aus einer der Schüsseln für sie abfallen.
    Draußen auf dem Gang hörte Xelia jemanden ihren Namen rufen. Adalbert! Sie stolperte die Stufen zu seiner Kammer unter dem Dach hinauf. »Was ist? Wie geht’s dir? Brauchst du etwas? Soll ich dir etwas zu essen holen?« Mit drei Schritten war sie an seinem Bett.
    Adalbert lächelte. »Setz dich. Ich brauche nichts. Vorhin hat mir ein junges Mädchen, das unaufhörlich plapperte, etwas zu essen gebracht.« Er deutete auf ein hölzernes Tablett, auf dem die Überreste einer Mahlzeit standen. »Ich hätt’ nur gern etwas Gesellschaft.«
    Ohne darüber nachzudenken, nahm sie seine Hand. »Wenn’s weiter nichts ist! Mir ist eh langweilig.« Sie erzählte ihm von Michaels Hausbesuchen und dann von ihrem Vormittag.
    Adalbert nickte. Von Zeit zu Zeit spielte ein Lächeln um seine Lippen. »Ich hab’ gleich gewusst, dass ihr beide gut miteinander auskommen werdet!« Dann wollte er wissen, wie es Philip ging, und Xelia erzählte ihm lachend von dessen Tiefschlaf.
    Wie auf ein Stichwort fielen daraufhin auch AdalbertsAugen zu. Enttäuscht starrte sie den Schlafenden eine Weile lang an. Es schien, als müsse sie den Rest des Tages irgendwie allein herumbringen. Langsam, um ihn nicht zu wecken, richtete sich Xelia aus ihrer sitzenden Haltung auf und wollte schon gehen, als seine Hand nach ihrer griff.
    Â»Hast du eigentlich Geschwister?«
    Die Frage kam so überraschend, dass Xelia im ersten Moment glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Ja«, antwortete sie dann langsam. »Zwei Schwestern. Warum?«
    Adalbert schüttelte sich wie ein Hund, der Regentropfen von seinem Fell loswerden wollte. »Dann hatte sie also doch recht. Du meine Güte, ich …« Er murmelte noch etwas vor sich hin. Seine Augen waren auf die weiße Wand gegenüber seinem Lager gerichtet.
    Xelia setzte sich wieder. Sie kam sich wieder einmal vor wie ein lästiges Anhängsel. Philip schlief, ohne sich auch nur einmal nach ihrem Befinden zu erkundigen, Michael wollte sie nicht mitnehmen, und Adalbert warf ihr erst einen Brocken zu wie einem Hund, nur um ihn gleich wieder wegzuziehen! »Schau mich an, verdammt noch mal! Ich will jetzt auf der Stelle wissen, warum du mich nach meinen Schwestern gefragt hast.«
    Dass sie, die sonst nie fluchte, diese Worte über die Lippen gebracht hatte, schien Adalbert irgendwie zu beeindrucken. Er schüttelte sich, als wolle er schnellstens einen anstrengenden Traum loswerden. Dann setzte er sich aufrecht hin, bis er mit dem ganzen Rücken an der Wand lehnte. »Ich glaube, es ist an der Zeit, über deine Mutter zu reden«, sagte er leise. Dann schwieg er wieder.
    Xelia biss sich auf die Lippen vor lauter Ungeduld, aber es gelang ihr, sich zu beherrschen. Um seiner Gesundheit willen wollte sie Adalbert nicht drängen, obwohl alles in ihr danach schrie.
    Eigentlich wäre es seiner Mutter zuzuschreiben, dass er Eulalia überhaupt kennengelernt hatte, meinte er schließlich. Margarete Hyronimus hatte ihren Sohn Adalbert aufeinen Botengang geschickt. Er sollte ans nördliche Stadttor von Tübingen gehen und dort nach einer Haarspinnerin namens Eulalia Heyen fragen. Sie hätte einen Auftrag für diese: Aus dem Haar der gerade verstorbenen Großtante wollte sie ein feines Netz flechten lassen. Adalbert war die ganze Angelegenheit lästig gewesen. Er hatte wissen wollen, warum seine Mutter mit dieser Lappalie nicht einfach zu der großen Spinnerei ging, die nur eine Straße entfernt lag. Dort würde man sich mit so etwas nicht abgeben, das Haar von Toten zu verspinnen sei schließlich unehrenhaft, hatte Margarete darauf geantwortet.
    Xelia hatte einen dicken Kloß im Hals, der auch noch in ihrer Kehle drückte, nachdem sie geschluckt hatte. Ihre Mutter eine Haarspinnerin? Warum hatte sie davon nie etwas erzählt? Welche Ironie des Schicksals, dass sie schließlich den einzigen Gerber in einem Dorf voller Leinenspinner und -weber geheiratet hatte!
    Also war Adalbert mit einem Beutel voll mausbraunem Frauenhaar in die Straße gegangen, in der die Hütte der Haarspinnerin liegen sollte. Nach zweimaligem Nachfragen fand er sie dann auch. Sie war eine der kleinsten und stand am äußersten Ende der Stadt, rückwärtig an die Stadtmauer gelehnt, in deren langem Schatten

Weitere Kostenlose Bücher