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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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mit ihrem Hang zu verletzten Gliedern …
    Sie zwinkerte zurück und fühlte sich gut dabei. Überhaupt fühlte sie sich ausgesprochen wohl in Michaels Gegenwart und der seiner Patienten. Für jeden hatte er ein freundliches Wort, wenn auch eine gewisse Schärfe in seinem Witz nicht zu überhören war. Doch die Leute schienen ihm seine scharfe Zunge nicht krumm zu nehmen, auch diejenigen, die mit mürrischem Gesicht kamen, gingen letztlich mit einem Lächeln davon.
    Bei den ersten beiden Kranken hatte Xelia Michael nur zugesehen und zugehört. Als der Dritte kam – der Mann, bei dem das Wasserlassen so fürchterlich brannte, als »habe er ein Feuer in seinem Schwengel« –, fragte der Arzt Xelia zum ersten Mal um Rat. »Ein Tee aus Bärentraubenblättern«, antwortete sie, ohne lange nachzudenken. »Er muss den Tee mindestens fünfmal am Tag trinken, dann geht es ihm in drei Tagen wieder gut. Ich glaube, ich habe einen Beutel von dem Kraut mitgebracht«, fügte sie noch hinzu.
    Michael nickte und wies sie an, es zu holen. Nachdem sie das Kraut aus ihrem Gepäck, das noch in der Küche stand, hervorgekramt hatte, füllte sie dem Mann ein paarHand voll davon ab und gab ihm außerdem noch etwas, womit er sein trübes Auge spülen konnte.
    Er bedankte sich tausendmal, bezahlte Michael für dessen Behandlung und drückte Xelia wie selbstverständlich auch ein paar Münzen in die Hand, bevor sie etwas dagegen sagen konnte. Verdutzt starrte sie das fremde Geld an. Der Mann hatte nicht wissen wollen, wer sie eigentlich war, sondern hatte ganz selbstverständlich ihren Rat angenommen und sogar dafür bezahlt.
    Â»Was soll ich damit?« Sie hielt Michael das Geld hin. »Es gehört dir, du bist der Arzt, nicht ich!« In ihrer Aufregung wurde ihre Stimme schrill. »Und außerdem: Was mache ich, wenn mein Kräutervorrat verbraucht ist? Vielleicht wächst hier nichts von dem, was ich kenne. Vielleicht sind die Kräuter hier zu nichts …«
    Â»Vielleicht, vielleicht, vielleicht!« Der Arzt unterbrach sie gestenreich. »Vielleicht bist du mal einen Moment lang still und hörst mir zu?« Xelia schwieg.
    Â»Warum schaffst du Probleme, wo keine sind? Lass uns doch erst einmal schauen, ob und wie du mir helfen kannst. Und dann können wir uns gemeinsam überlegen, wer welches Geld wofür bekommt, einverstanden?« Er suchte ihren Blick, den sie zu Boden gesenkt hatte. »Ich bin weiß Gott kein Mensch, der sich um Geld streitet«, fügte er noch hinzu.
    Â»Aber ich doch auch nicht!« Du meine Güte, wie konnte er sie so missverstehen! »Ich meinte doch nur, es …«
    Er winkte lächelnd ab. »Ich glaube, ich weiß schon, was du meinst. Du wolltest mir nichts von meinem Lohn wegnehmen, nicht wahr?« Er schüttelte den Kopf. »Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Was dir zusteht, bekommst du. Und was deine Sorge um die Kräuter angeht: Ein Großteil von dem, was du aus den Wäldern der Alb kennst, wächst auch hier. Manches gibt es natürlich nicht, aber dafür wachsen hier andere, wundervolle Pflanzen, deren Heilkraft auch nicht zu unterschätzenist.« Xelias Augenbrauen wölbten sich zweifelnd zu zwei hohen Bögen, und so fuhr er fort: »Spätestens im Frühjahr werden wir gemeinsam losgehen und Felder und Wiesen auskundschaften. Ich habe das Gefühl, als könnten wir viel voneinander lernen!«
    Obwohl Xelia ihm immer wieder einen skeptischen Blick zuwarf, spann er sie danach in jede seiner Behandlungen ein. Eine Widerrede war ihr nicht möglich, denn jedes Mal, wenn sie ihre Zweifel über ihr Können laut werden lassen wollte, wies er sie an, einen Verband auszuwechseln, eine Salbe aufzutragen oder auf eine andere Art zu helfen. Jedem Patienten stellte er Xelia als seine neue Helferin vor und pries ihr Kräuterwissen in den Himmel, obwohl er noch kaum etwas von ihr wusste! Doch auch da ließ er keine Widerrede zu, und so verdrehte sie zwar manchmal die Augen, aber als es gegen Mittag ging, hätte sie ihre Glückseligkeit am liebsten laut herausgeschrien. Durfte das alles wirklich wahr sein?
    Sie konnte es kaum erwarten, Philip in jeder Einzelheit von ihrem Vormittag zu erzählen!

~ 55 ~
    N icht einmal Xelias verheißungsvolle Aufzählung aller Köstlichkeiten, unter denen sich der Küchentisch bog, brachte es

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