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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ihn gleich nach der Badestube gefragt. Die Miene des Mannes hätte ihn eigentlich stutzig machen sollen, ging es Philip jetzt durch den Kopf. Richtig geglotzt hatte er und dann ebenso vertraulich getan wie der Wirt aus dem letzten Dorf. »In die Badestube wollenSie? Das lassen Sie besser nicht mein Weib hören!« Dann hatte er Philip den Weg gezeigt und sich noch erboten, Alois gleich mit zur Böttcherei zu nehmen. Das Bild eines dampfenden Badezubers vor Augen, war Philip mit seinem Gepäck durch die immer noch leeren Gassen marschiert, bis er an einem der größeren Häuser am Dorfrand angekommen war. Schon während er an die Tür geklopft hatte, war ihm ein seltsames Stöhnen zu Ohren gekommen. Wurde da drinnen jemand verbrüht? Argloser Trottel! Nicht einmal, als die in ein ärmelloses Gewand gekleidete, barfüßige Frau vor ihm gestanden hatte, war er aufgewacht.
    Erst als er sich drinnen umgesehen hatte, war ihm klar geworden, wo er sich eigentlich befand: in einem Hurenhaus! Dessen einziger Raum war durch verschmutzte Vorhänge in winzige Kammern abgeteilt worden – und was in denen vorging, wollte sich Philip nicht vorstellen! Verwirrt und noch immer ungläubig, hatte er etwas von einem Badezuber gestammelt, war dann aber, ohne die spöttische Antwort der Frau abzuwarten, geflüchtet. Statt sich zu waschen, hatte er schließlich den Nachmittag damit zugebracht, sein Tagebuch auf den neuesten Stand zu bringen.
    Â»Und vor zwei Jahren war es schon einmal das Gleiche mit dem Wasser aus dem Fluss! Ich weiß es noch ganz genau!« Zur Bekräftigung schlug der Böttcher mit der flachen Hand auf den Tisch.
    Philip schreckte auf. »Auf meinem Weg hierher habe ich eine ungewöhnliche Beobachtung gemacht.« Und dann erzählte er von den Fäkalienhaufen.
    Der Böttcher winkte ab. »Das ist der Inhalt unserer Fäkaliengrube. Die wird einmal jährlich geleert, und zwar immer dann, wenn der Fluss im Frühjahr Hochwasser hat. Dann hat das Wasser so viel Kraft, dass es alles wegschwemmt.«
    Â»Das kann ja wohl nicht stimmen, sonst würden dochkeine ganzen Berge mit Unrat daliegen«, entgegnete Philip.
    Â»Es braucht halt alles seine Zeit.« Der Böttcher zuckte mit den Schultern. »Die Grube ist ja auch nicht von heut’ auf morgen voll – wie kann sie dann von heut’ auf morgen wieder leer sein?« Er fand seinen Vergleich so lustig, dass er laut auflachte.
    Darauf hätte Philip einiges erwidern können, doch er schwieg. Sein Gastgeber fuhr fort: »Ja, wir Anstettener sorgen schon dafür, dass unser Fluss sauber bleibt. Oder haben Sie irgendwo Tierkadaver liegen sehen? Oder Abfall?«
    Philip verneinte. Doch was er im Fluss gesehen hatte, hatte ihm gereicht. Ein paar tote Hunde oder Hühner hätten auch keinen großen Unterschied mehr ausgemacht. Aber er sparte sich auch diese Antwort. Morgen früh würde er schon wieder unterwegs sein und Anstetten nur noch ein kleiner Fleck auf seiner immer dichter bemalten Landkarte. Würde er sich in jedem Weiler die Sorgen und Nöte der Leute anhören und sich womöglich noch einmischen, hätte er viel zu tun! Aber interessant war die Sache schon, das musste er zugeben. Wenn er ehrlich zu sich war, konnte er es kaum erwarten, seinem alten Lehrer Adalbert Hyronimus davon zu erzählen und dessen Ansicht zu erfahren. Wenn er nur schon in Blaubeuren wäre! Er seufzte und widmete sich wieder seinem Gegenüber.
    Als der Böttcher von sich aus das Thema wechselte, war Philip ganz froh darüber. Und was er dabei erfuhr, war mindestens so spannend wie die Wassergeschichte: Martin Rau war der ehemalige Geselle des verstorbenen Böttchers und hatte nach dessen Tod die Witwe geheiratet. Daher der Altersunterschied! Sein Weib hatte sich längst zum Schlafen zurückgezogen, als der Böttcher dies brotkauend verkündete. »Aber warum haben Sie die Witwe geheiratet?« Bei dem steinalten Weib war eine solche Frage doch erlaubt, oder?
    Der Mann beugte sich nach vorne. »Wie meinen Sie das?«, kam es stirnrunzelnd.
    Philip rutschte auf der Bank hin und her. War seine Frage doch unhöflich gewesen?
    Sein Gegenüber lachte plötzlich auf und lehnte sich selbstzufrieden zurück. »Tja, dass unsereins so viel Glück hat – und auch noch Köpfchen dazu –, das sind Sie wohl nicht gewohnt, was?« Er lachte erneut.

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