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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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stützte seinen Kopf mit der Hand ab. Er schaute zu Xelia hinüber. »Deine Schwestern …«
    Â»Ja, was ist mit ihnen?« Sofort war Xelia wieder hellwach. Wollte er ihren Anflug von Müdigkeit nutzen, um sie auszuhorchen?
    Â»Ich hab’ sie gesehen. Vor dem Tor des Markgräflichen Anwesens.« In seiner Stimme klang nichts Ungutes mit, er sprach leise und für seine Verhältnisse in fast sanftem Ton.
    Kurz kämpfte Xelia mit sich, ob sie ihm über den Mund fahren und das Gespräch beenden sollte. Wenn sie an Anna und Sybille dachte, tat ihr Herz schrecklich weh. »Da waren sie wohl in den Hundezwingern.« Ihre Stimme war rau. Sie räusperte sich. »Eine schreckliche Arbeit! Jedes Mal stritten wir, wer von uns dreien dorthin musste. Wie … sahen sie aus?«
    Ihm war anzusehen, dass er dies für eine eigentümliche Frage hielt und Mühe hatte, die passende Antwort darauf zu finden. »Etwas betrübt vielleicht. Die Jüngere hat geweint. Die Ältere war…, wie soll ich sagen, ein wenig ruppig.«
    Â»Das war Anna. Die tut nur so. Arme Anna«, sagte sie mehr zu sich als zu ihm.
    Er schaute zu ihr hinüber. »Warum bist du nicht bei deiner Familie?«
    So müde ihre Augen ausschauten, so wütend klang jetzt ihre Stimme. Warum ließ er sie nicht in Ruhe? »Weil’s das Schicksal nicht gut mit mir meint. Deshalb!«
    Â»Was ist denn das für eine Antwort?«, kam es gereizt zurück. »Das Schicksal! Es hat doch jeder selbst in der Hand, ob er ein anständiges Leben führt oder nicht!«
    Die versöhnliche Stimmung, die sich nach dem gemeinsamen Festmahl zwischen ihnen breit gemacht hatte, platzte wie eine zu prall gefüllte Schweinsblase und ergoss sich in altbekannter feindseliger Befremdung.
    Â»Was weißt denn du schon vom Leben!«, antwortete Xelia, mindestens ebenso gereizt. Sie hätte ihm tausend Dinge mehr sagen können.
    Â»Dann erzähl mir doch davon«, sagte er fast bittend – und überrumpelte Xelia damit völlig.
    Sie zögerte kurz. Die Versuchung, sich alles von derSeele zu reden, war groß. Hinter ihren Augen spürte sie einen bekannten Druck, gegen den sie sich sogleich heftig wehrte. Sie wusste, wenn sie einmal mit dem Erzählen anfing, gäbe es kein Ende mehr. Dämme würden in ihr aufbrechen und eine Sturmflut herausschwappen. Die ganze Wut, die Verzweiflung, die Angst. Alles hatte sie sorgsam in die letzte Kammer ihres Inneren gestopft und die Türen davor fest verriegelt. Und jetzt hatte ein Wink von Philip fast ausgereicht, um die Kammertüren zu öffnen. Aber nur fast.
    Sie schaute ihn lange an, und er wich ihrem Blick zum ersten Mal nicht aus, sondern erwiderte ihn genauso offen und lange. Doch schließlich sagte Xelia: »Du willst nichts davon wissen, glaub mir.« Sie wollte ihm diese letzte Möglichkeit geben, weiterhin ahnungslos zu bleiben – und somit unbeteiligt. Dennoch hielt sie den Atem an. Sag etwas, bitte mich zu reden , schrie alles in ihr. Die Vorstellung, sich endlich Erleichterung zu schaffen, war auf einmal so verführerisch geworden, dass sie kaum widerstehen konnte.
    Doch Philip schwieg. Für eine beharrliche Entgegnung fehlte ihm der Mut.

~ 22 ~
    A ls Philip die Geräusche hörte, war Xelia gerade am Bach.
    Nach der ungewohnten Fleischmahlzeit waren sie beide mit trockenem Hals und klebriger Zunge aufgewacht und hatten feststellen müssen, dass sich in Xelias Wasserschöpfer nur noch ein kläglicher Rest befand. Nachdem jeder von ihnen einen kleinen Schluck davon genommen hatte, war Xelia aufgestanden.
    Â»Ich geh’ Wasser holen.«
    Philip hatte sich auf seinem Lager aufgerichtet. »Ist das gut? Jetzt bei Tageslicht?« Er war über seine Frage selbst erstaunt gewesen. Was kümmerte es ihn, ob sie von jemandem gesehen wurde oder nicht?
    Â»Was soll’s? Ich hab’ solchen Durst, dass ich es nicht bis heut’ Abend aushalte. Und was zum Essen brauchen wir auch. Da kann ich gleich das Stück zum Bach laufen.« Es hatte sich angehört, als müsse sie sich selbst von der Ungefährlichkeit dieses Unterfangens überzeugen.
    Philip verfluchte zum hundertsten Mal sein gebrochenes Bein. Nie mehr in seinem ganzen Leben wollte er diese Hilflosigkeit erfahren, in der er sich im Moment befand!
    Er hatte ihr seinen Wasserschöpfer gereicht. »Da, nimm den auch noch mit. Er ist

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