Die Liebe des Kartographen: Roman
ernsthaft zu helfen? Wollte er ihr überhaupt helfen, oder nur sich selbst das Ausharren angenehmer machen? Sie brauchte niemanden, das musste er doch inzwischen wissen, oder? Und ihn, diesen komischen Beamten, von dem sie immer noch nicht wusste, womit er eigentlich sein täglich Brot verdiente â schon gar nicht!
~ 25 ~
E s war wieder Abend geworden. Mit einem Becher lauwarmem Kräutertee in der Hand, schaute Philip sich in der Höhle um und hatte das Gefühl, sich in einem völlig anderen Raum zu befinden als in den Wochen zuvor. Alles erschien ihm nicht nur gröÃer â was es tatsächlich auch war â, sondern lichter und aufgeräumter. Er fühlte sich so zufrieden wie schon lange nicht mehr. Xelia musste es ähnlich ergehen, denn als sich ihre Blicke trafen, lächelte sie ihn freundlich an. Ihre schlechte Laune vom Morgen schien vorbei zu sein, dem Himmel sei Dank!
Den ganzen Tag hatten sie damit verbracht, wie Maulwürfe Erde aus der rückwärtigen Höhlenwand zu kratzen und in Xelias Körbe zu tun, deren Inhalt sie unermüdlich drauÃen verstreute. Am späten Nachmittag, es war schon fast dunkel, hatte Xelia von einem umgestürzten Baum einen Ast angeschleift, den sie mühevoll so lange zurechtgeschnitzt hatten, bis er sich als Stütze für die Höhlenwand eignete. Der Aufwand hatte sich gelohnt: Sie hatten dadurch so viel mehr Platz gewonnen, dass sie anfangs gar nicht wussten, was sie damit anfangen sollten. Probehalber hatte Philip zuerst den Inhalt seiner Taschen geleert, um dann alles ordentlich in Reih und Glied aufzustellen: seine Bücher, seine Zeichenutensilien, die Rolle mit dem Papier. Xelia hingegen hatte das Kopfende ihrer Schlafstatt von ihren geflochtenen Körben, Schöpflöffeln und den geschnitzten Holzteilen befreit. Heute Nacht würde sie sich zum ersten Mal seit langem wieder richtig ausstrecken können.
Philip rieb sich seine Hände. Die Knöchel waren aufgeschlagen, und jeder Finger tat ihm so weh, als habe ihm jemand Daumenschrauben angelegt. Xelia hingegenschien die Arbeit nicht das Geringste ausgemacht zu haben â nachdem sie fertig gewesen waren, hatte sie die Höhle verlassen, um für ihr Abendessen zu sorgen. Philip hatte ihr nachgeschaut und zum ungezählten Mal sein gebrochenes Bein verflucht. Mehrmals hatte er den Vorhang zur Seite geschoben, weil er glaubte, dass sie kam. Doch jedes Mal hatte sein Gehör ihn getäuscht. Das Warten war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen. Als sie endlich zurückkam, war er regelrecht erleichtert gewesen. Sie hatte einen Kräuterbrei mitgebracht und damit seine zerschundenen Hände bestrichen. Dann hatte sie verkündet: »Heute kannst du dich freuen«, und damit begonnen, ein Feuer zu machen. »Ich koche einen Kräutertee. Den haben wir uns beide verdient.«
Philip hatte Xelia seinen Feuerstein gereicht und zugeschaut, wie sie in Windeseile ein kleines heiÃes Feuer mit nur ganz wenigen Rauchwolken entfachte. Dann hatte sie das mitgebrachte Wasser in seinen Blechnapfgefüllt, eine Hand voll Kräuter hineingeworfen und so lange erwärmt, bis sich die Brühe dunkelgrün verfärbte.
Nun genossen sie das warme Getränk. »Den Napf hättest du mir auch schon früher geben können«, sagte Xelia nach einer Weile des Schweigens. »Damit wäre mir eine Menge geholfen gewesen!« Sie reichte ihm eine Hand voll dunkelroter Beeren, die schon etwas vertrocknet aussahen.
Philip schüttelte den Kopf. »Ich weià auch nicht, warum ich nicht daran gedacht habe.« Er lachte. »Da schnitzâ ich tagelang an der Baumwurzel herum, um einen Wasserbehälter zu bekommen, und dabei liegt der Becher in meinem Reisesack!« Xelia musste ihn wieder einmal für unbeschreiblich dumm halten!
»Du bist halt völlig untauglich für ein Leben ohne Gasthof und Schankstube!«, kam es schärfer, als er erwartet hätte. Ihre Augen funkelten, und ihrer Stimme fehlte es an gut gemeinter Ironie.
»Was soll denn das heiÃen? Glaubst du, meine Arbeitmacht sich von allein, während ich bei einem Krug Wein sitze und Däumchen drehe?« Philip plusterte sich auf wie ein Gockel. »Wie viele Meilen ich schon durch die Wälder marschiert bin, kannst du dir in den kühnsten Träumen nicht vorstellen!« Dass er den Wald dabei kaum wahrgenommen hatte, wurde ihm im gleichen Augenblick zum
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