Die Liebe des Kartographen: Roman
einem Mann vertraut â und in welche Lage hatte sie das gebracht! Solange Philip nicht laufen konnte, war alles gut. Aber was würde geschehen, wenn er von der Höhle fortging? Würde er in einem falsch verstandenen Anfall von Heldentum zum Büttel nach Leinstetten rennen und versuchen, ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen? Dass Philip ihr nicht mehr böse war, weil sie ihn in die Höhle gebracht hatte, wusste sie. Daraus würde er ihr sicher keinen Strick drehen wollen. Aber womöglich würde er sie unabsichtlich an den Galgen liefern! Ein falsches Wort zur falschen Zeit ⦠und sie wäre dran! Nach wie vor war sie fest davon überzeugt, dass man ihr nie und nimmer glauben würde.
»Wie geht es dir?«
Xelia schrak zusammen. Philip war aufgewacht, ohne dass sie es bemerkt hatte. Er stützte sich auf seinen rechten Ellbogen.
»Gut«, hörte sie sich sagen und stellte fest, dass dies sogar stimmte. »Ich ⦠mir geht es gut.«
»Und ich habâ einen Bärenhunger. Dem Himmel sei Dank, dass wir noch etwas von dem Hasenfleisch zu essen haben. Nichts gegen deine Kräuter, aber heute bin ich schon froh, etwas Handfestes zum BeiÃen zu haben.« Er setzte sich auf und streckte sich, als handle es sich um einen Morgen wie jeden anderen.
Xelia blieb für einen Augenblick der Mund offen stehen. Doch sofort hatte sie sich wieder gefangen. Wenn er der Meinung war, es sei das Beste, so zu tun, als ob nichts gewesen sei, dann sollte es ihr nur recht sein!
Bevor sie aus der Höhle krabbeln konnte, war Philip schon zum Ausgang gerutscht und hob sachte die Erde an, um an die Vorräte zu kommen. Mit einer schwungvollen Handbewegung bot er ihr eine Keule an. »Wenn ich könnte, lief ich ja zum Bach, um Wasser zu holen, aber â¦Â« Er zuckte mit den Schultern.
Xelia spürte einen Anflug von Verärgerung. Wie leichtPhilip zu durchschauen war! »Mach dir ja keine Mühe! Du brauchst jetzt nicht besonders freundlich sein, nur weil ich dir gestern erzählt habe, warum ich hier in diesem gottverlassenen Erdloch sitze! Es hat sich nichts geändert. Alles ist beim Alten geblieben.«
Seine Augen brannten plötzlich auf ihrem Gesicht. Er sah verletzt aus, und Xelia taten ihre Worte schon wieder leid.
»Das war doch nicht böse gemeint!« Er hörte sich verwundert an. »Ich würdâ wirklich gern etwas für dich tun. SchlieÃlich kümmerst du dich schon so lange um mich und mein Bein. Da wäre es doch nur gerecht, wenn ich das irgendwie wieder gutmachen könnte.«
»Wenn das so ist, warum tust du es dann nicht?«, fragte sie herausfordernd. »Es wäre zum Beispiel an der Zeit, die Höhle ein wenig zu vergröÃern. Da hinten«, sie zeigte an die Rückwand, »habe ich schon damit angefangen. Erde kannst du auch im Liegen wegkratzen. Und ich würdâ das Zeug dann raustragen und verstreuen.«
Philip schaute sich um. »Ein bisschen mehr Platz wärâ tatsächlich nicht schlecht.« Er griff sich an die Nase, und Xelia wusste inzwischen, dass er dies immer tat, wenn er mit etwas zögerte. »Wann â¦, wie lange, glaubst du, braucht mein Bein, bis es ganz verheilt ist?«
Mit dieser Frage hatte Xelia nicht gerechnet, vor allem jetzt nicht, da so viele andere Dinge den Platz in ihrem Kopf vereinnahmten. Doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. SchlieÃlich war es eine berechtigte Frage. »Nicht mehr sehr lange. Ich denke, ein paar Wochen noch. Die Kräuter können wir bald weglassen, es gibt jetzt sowieso nicht mehr alle zu pflücken. Du solltest von nun an das Bein jeden Tag bewegen, auch wenn es wehtut. Und durchkneten müssen wir es auch, damit das Blut wieder zu flieÃen beginnt.«
Er schien mit ihrer Antwort zufrieden. »Ein paar Wochen noch â¦Â« Philip sah auf einmal aus, als hätte er keineZeit zu verlieren. »Lass uns essen, damit wir sobald wie möglich mit der Arbeit anfangen können!« Hungrig biss er in den Hasenschenkel.
Xelia spürte, wie sie der Drang überfiel, ihm irgendetwas ins Gesicht zu werfen. Seine geschäftige Art gerade jetzt, nachdem er wochenlang nur herumgelegen und ihr beim Korbflechten, Kräutersammeln, Pilzesäubern und Wasserholen zugesehen hatte, machte sie so wütend, dass sie ihm am liebsten an die Kehle gesprungen wäre. Warum kam er erst jetzt auf den Gedanken, ihr
Weitere Kostenlose Bücher