Die Liebe des Kartographen: Roman
er nicht mehr gewöhnt. Sein rechtes Bein zitterte ein wenig. Sollte er aufsitzen und ein Stück weit reiten? Das würde ihm gewiss gut tun. Aber dann müsste Xelia allein laufen, und das wollte er auch nicht.
Sein Blick war beinahe zärtlich, als er an Aloisâ Kopf vorbei zu Xelia hinüberblickte. Zierlich, fast zerbrechlich wirkte sie hier drauÃen. Dass sie selbst für eine Frau sehr klein war, war ihm in der Enge der Höhle gar nicht aufgefallen. Ihr Gesicht war unter dem groÃen Schlapphut nicht zu erkennen, der weite Mantel, den er für sie besorgt hatte, verbarg ihre weiblichen Formen. Und das war gut so.
Wenn er an die letzte Nacht dachte, überfielen ihn zwiespältige Gefühle. Auf der einen Seite wollte er gar nicht glauben, dass alles wirklich geschehen war. Xelia und er vereint als Mann und Frau! Seltsam eigentlich, dass er in den ganzen Wochen ihres beengten Zusammenlebens Xelia nie unter diesem Aspekt betrachtet hatte. War er etwa kein ganzer Mann , wie man so schön sagte? Andererseits: Was er letzte Nacht erlebt hatte, bewies doch, dass er Manns genug war, oder? Schon beim Gedanken daran wurde ihm ganz heiÃ. Langsam begann er zu verstehen, warum alle Welt der Sache so viel Wichtigkeit beimaÃ. Es war tatsächlich recht erquicklich gewesen ⦠Und er hatte groÃe Lust, diese Wonnen noch einmal zu erfahren. Röte schoss ihm ins Gesicht, und sein Blick zu Xelia hinüber war nun verschämt.
Um auf andere Gedanken zu kommen, versuchte er einzuschätzen, wie weit sie schon gegangen waren. Er kannte weder die Gegend noch den Weg, der immer schmaler wurde. Auf seiner Kartenvorlage war er nicht eingezeichnet, und bei seinem Albaufstieg war er von weiter östlich gekommen. Aber wenn er richtig vermutete, würde vor ihnen bald ein Dorf namens Rüdling auftauchen, welches er jedoch rechterhand zu umgehen gedachte. Er wollte unerwünschten Fragen aus dem Weg gehen, auch wenn dies ein oder zwei weitere Nächte unter freiem Himmel für sie bedeutete. Sobald er Xelia bei Hyronimus abgeliefert hatte, würde er die Gegend erneut aufsuchen und noch vor dem ersten Schnee vermessen, nahm er sich vor. Lag nämlich erst mal eine dicke Schneeschicht auf dem Land, die Grenzsteine und andere markante Merkmale versteckte, konnte er seine Arbeit vergessen. Deshalb würde er â¦
Ruckartig blieb Alois stehen, und Philip glitt der Zügel aus der Hand. »Was ist denn los?« Vergeblich versuchte er, das Pferd mit einem Zügelruck zum Weiterlaufen aufzufordern. Mit angewinkeltem rechten Vorderbein, das Gewicht ganz auf die linke Seite gelegt, stand Alois krumm und buckelig da und schaute seinen Herrn aus groÃen Augen vorwurfsvoll an.
Nun blieb auch Xelia stehen.
»Der Gaul hat ein Eisen verloren.« Mehr oder weniger hilflos, tastete Philip das unbeschlagene Pferdebein ab.
»Und? Was heiÃt das?« Xelia schlang ihre Arme um den Leib, als wolle sie dadurch ungute Nachrichten von sich fern halten.
Philip zuckte mit den Schultern. Warum hatte er es nicht gemerkt, als das Vieh das gottverdammte Eisen verloren hatte! Dann hätte er versuchen können, das Ding wieder zu befestigen. So war es für immer verloren. Zurückgehen und das Eisen suchen wollte er auf keinen Fall. Er nahm den Huf auf. Dort, wo das Eisen fehlte, waren rote Stellen. An einem Fleck war der Huf regelrecht ausgefranst.
»So, wieâs ausschaut, hat der Gaul Schmerzen. Wenn ernicht von sich aus läuft, dann müssen wir ihn wohl tragen.«
Doch Xelia war nicht zum Scherzen aufgelegt. »Was machen wir jetzt?« Auf ihrem Gesicht stand die nackte Angst. Was bedeutete das Ganze für sie? Würden sie nun nach Leinstetten zurückmüssen?
Philip lieà den Huf ab. Er versuchte, seiner Stimme einen unbefangenen Ton zu verleihen. »Gehen wir eben doch nach Rüdling hinein! Hoffentlich gibtâs dort einen Schmied, der uns ein neues Eisen machen kann.« Ohne Xelias Kommentar abzuwarten, schnalzte er mit der Zunge, versetzte Alois mit dem Zügel mehrmals einen Schlag auf den Hals und marschierte weiter. An Aufsitzen war nun natürlich nicht mehr zu denken. Er war schon froh, das Pferd überhaupt zum Weiterlaufen bewegen zu können.
~ 32 ~
D er Gaul braucht nicht ein Eisen, sondern vier!« Mit verschränkten Armen stand der Schmied von Rüdling, der auÃerdem Wagenbauer und Kesselflicker war, vor ihnen. Der
Weitere Kostenlose Bücher