Die Liebe des Kartographen: Roman
die Nacht gewesen? Die Kälte in der Höhle? Das Bad am Tage? Wie es gekommenwar, konnte sie nicht einmal mehr sagen. Aber es fühlte sich richtig an, und das erstaunte sie sehr. Sie hätte nie geglaubt, dass es ihr einmal gefallen könnte, auf diese Weise mit einem Mann zusammen zu sein. Bei Feltlin hatte sie stets nur Schmerzen, endlose Schmerzen und Scham verspürt. Und bei Samuels Berührungen? Nichts, wenn sie ehrlich war. Seine Hände waren ihr gleichgültig gewesen, er hatte sie nicht berührt im wahren Sinne des Wortes. In Samuel hatte sie offensichtlich nur die VerheiÃung eines besseren Lebens gesehen, mehr nicht.
Als sie heute Morgen aufgestanden waren, hatte keiner von ihnen ein Wort über die letzte Nacht verloren. Aber es hatte auÃer der gespannten Aufbruchstimmung auch keinerlei Unwohlsein zwischen ihnen geherrscht, sie hatten sich angelächelt, und Philip hatte ihr zum Abschied aufmunternd zugezwinkert. Ein Lächeln flog auch jetzt wieder über Xelias Gesicht und wurde im nächsten Moment von einem neuen Kälteschauer weggeblasen. Steifgliedrig stand sie auf und begann, ein paar Schritte hin und her zu gehen. Um sich abzulenken, versuchte sie, sich diesen Adalbert Hyronimus vorzustellen. Was das wohl für ein Mann war? Sie wusste so gut wie gar nichts von ihm, und manchmal hatte sie sogar das Gefühl gehabt, Philip wiche ihren Fragen über seinen alten Lehrer aus. Geradeso, als sei mit ihm etwas nicht in Ordnung. Aber das konnte doch wohl nicht sein, sonst würde er sie nicht zu ihm bringen wollen, oder?
Klack, klack, blobb, klack, klack, blobb. Alois, mager und mit stumpfem Fell, schritt tapfer aus, als sei er genauso froh wie seine beiden Begleiter, von Leinstetten wegzukommen. Dass er ein Hufeisen verloren hatte, merkten weder Xelia noch Philip, so vertieft waren sie in ihr Gespräch über das, was Philip in Leinstetten erlebt hatte.
»Und der Büttel hat wirklich nicht mehr wissen wollen?«
»Nein, wenn ichâs dir doch sage!« Philip schüttelte den Kopf. Eine so träge Person mit solch stoischem Gemüt hatte er noch nirgendwo getroffen. Keinen Tag lang würde so jemand in Stuttgart ein Amt bekleiden, keinen einzigen Tag!
»Und der Tannenhof-Bauer hat Alois ohne Murren rausgegeben?«
»Na ja, was heiÃt ohne Murren ⦠Begeistert war er nicht gerade. Aber als ich mit meinem herzöglichen Passierschein gewedelt habâ, warâs aus mit seiner Forschheit.« Philip lachte und tätschelte den Pferdehals. Dass er einmal richtig froh sein würde, das Pferd zu sehen, hätte er sich auch nicht vorstellen können. Er atmete tief durch.
Alles war gut gegangen im Dorf. Seine Geschichte war mit groÃen Augen und offenen Mündern aufgenommen worden, niemand schien auch nur einen Moment an ihrem Wahrheitsgehalt zu zweifeln. Gott sei Dank hatte ihn keiner danach ausgefragt, wo er denn die Münzen die ganze Zeit über versteckt gehabt hatte, mit denen er dem Tannenhofbauern so groÃzügig für Aloisâ Unterkunft gezahlt hatte! Eine logische Antwort wäre ihm schwer gefallen ⦠Doch dass es ihm überhaupt gelungen war, den Räubern zu entfliehen, machte ihn in den Augen der Leinstettener zum Helden. Binnen kürzester Zeit hatte sich das ganze Dorf um ihn versammelt, und er hatte seine Geschichte immer wieder zum besten geben müssen. Nicht ungern, wie er feststellte. Er fühlte sich gut und stark und â sein Blick fiel auf Xelia â irgendwie leichtherzig .
Natürlich wollte Xelia wissen, ob er auch ihre Schwestern gesehen hatte. Und so erzählte er ihr, dass es ihm inmitten der improvisierten Dorfversammlung gelungen war, Anna ein paar Worte zuzuflüstern. Von Annas blauem Auge sagte er ihr nichts. Und auch nicht von Feltlins misstrauischen Blicken, die er ihnen, wenige Schritte entfernt, zugeworfen hatte.
Nachdem sie jede Einzelheit mehrmals durchgekaut hatten, hingen beide ihren eigenen Gedanken nach.
Philip gähnte. Es war mindestens so angenehm, mit Xelia zu schweigen, wie mit ihr zu reden. Nachdem in Leinstetten alles so gut geklappt hatte, war seine innere Anspannung nun wie weggeblasen. Und auch sein Gefühl von Heldenhaftigkeit lieà langsam, aber sicher ein wenig nach. Dafür fühlte er sich nach knapp zwei Stunden Marsches schon müde und zerschlagen wie früher nicht mal nach einem langen Tag! Das monotone Ausschreiten war
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